Neues vom Bundesgerichtshof zur Kündbarkeit von Nutzungsverträgen bei der Verwendung offener Laufzeitklauseln

Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) schafft mehr Rechtsklarheit für die Bewertung der ersten Phase von Nutzungsverträgen bei der Nutzung von offenen Laufzeitklauseln.

In seinem Urteil vom 12. März 2025 (Aktenzeichen XII ZR 76/24) hat sich der BGH im Zusammenhang mit einem Windenergie-Nutzungsvertrag ausführlich mit der Kündigung innerhalb der vertraglichen „Schwebezeit“ zwischen Vertragsschluss und dem Beginn der festen Vertragslaufzeit bei der Verwendung von offenen Laufzeitklauseln auseinandergesetzt. Unter einer offenen Laufzeit versteht man eine Vertragslaufzeit, welche an ein künftiges (oftmals ungewisses) Ereignis anknüpft, beispielsweise „20 Jahre ab Inbetriebnahme der Windenergieanlage“.

Der BGH stellt klar, dass diese erste Vertragsphase als unbefristetes Vertragsverhältnis angesehen werden kann, welches grundsätzlich ordentlich kündbar ist. Unter bestimmten Voraussetzungen soll das ordentliche Kündigungsrecht innerhalb dieser Zeit jedoch wirksam ausgeschlossen werden können. Einen solchen wirksamen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts sah der BGH in dem zu entscheidenden Fall als gegeben an.

Aus dem Urteil lassen sich verschiedene Schlüsse ziehen, die über den Einzelfall hinausgehen.

A. Hintergrund und Fall

I. „Zwei Phasen“ bei langjährigen Nutzungsverträgen – ab wann die feste Laufzeit beginnt

Betreiber können ein Interesse daran haben, den Beginn der Laufzeit an die Inbetriebnahme der EE-Anlage zu knüpfen. So kann z.B. die Förderung nach dem EEG 20 Jahre ab der Inbetriebnahme betragen. Ob sich der Weiterbetrieb der Anlage im Anschluss noch rechnet, ist im Vorhinein nicht immer klar absehbar. Ist der Ablauf der Erstlaufzeit des Flächennutzungsvertrages mit der Förderdauer synchronisiert, kann der Betreiber zum Ablauf der Förderdauer dann auch entscheiden, ob er die Laufzeit verlängert.

Als weiteres Motiv für offene Laufzeitklauseln gilt § 544 BGB (i. V. m. § 581 Absatz 2 BGB), wonach jede Partei den Nutzungsvertrag 30 Jahre nach Überlassung des Grundstücks außerordentlich mit gesetzlicher Frist kündigen kann. So hoffen Betreiber darauf, dass der Vertrag bei Nutzung einer offenen Laufzeitregelung dann auch nicht vor Ablauf von 30 Jahren ab der Inbetriebnahme gekündigt werden kann. Maßgeblich für den Beginn dieser Frist ist jedoch nicht die Inbetriebnahme, sondern der Zeitpunkt der Überlassung – also der Besitzverschaffung. Der Besitz wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück oder – bei entsprechender Einigung und Zugriffsmöglichkeit – bereits durch schlichte Einigung erworben. Je nach vertraglicher Ausgestaltung kann also die Besitzverschaffung somit bereits mit Vertragsschluss, jedenfalls aber mit dem Baubeginn, erfolgen.

Vereinbaren die Vertragsparteien eine offene Laufzeitklausel, teilt sich der Nutzungsvertrag in zwei unterschiedliche „Phasen“: Die „Schwebezeit“ (oder auch „Wartezeit“) zwischen Vertragsschluss und dem maßgeblichen Ereignis für den Beginn der Festlaufzeit (insb. Baubeginn oder Inbetriebnahme) sowie die Phase der „festen Laufzeit“ vom Eintritt des Ereignisses bis zum Ende der Laufzeit als zweite Phase.

II. Der entschiedene Fall

Im nun entschiedenen Fall ging es um eine solche Konstellation der Kündigung eines Nutzungsvertrags in der „Schwebezeit“. Ausgangspunkt war ein 2017 geschlossener Nutzungsvertrag zwischen einer Eigentümerin landwirtschaftlicher Flächen und der Klägerin, die auf dem Grundstück Windenergieanlagen errichten und betreiben wollte. Der Beklagte Eigentümer erklärte 2022 – als Rechtsnachfolger der vorigen Eigentümerin – die ordentliche Kündigung. Die Klägerin hielt diese Kündigung für unberechtigt – mit Erfolg in allen Instanzen.

Der zugrundeliegende Nutzungsvertrag enthielt eine Regelung, dass er mit Unterzeichnung beginnt und „gerechnet ab dem 31.12 des Jahres, in dem die Inbetriebnahme der letzten geplanten WEA [Windenergieanlage] erfolgt ist, nach Ablauf von 20 Jahren“ endet.

Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts während der Schwebezeit war nicht ausdrücklich geregelt. Der Nutzungsvertrag sah im Wesentlichen vor, dass das Recht zur fristlosen (außerordentlichen) Kündigung aus wichtigem Grund “unberührt“ bleibe. Zudem war ein Rücktrittsrecht für den Fall enthalten, dass innerhalb von 5 Jahren ab Unterzeichnung keine Genehmigung für die Windenergieanlage erteilt würde oder zeitnah bevorstünde. Ferner war eine Verlängerung dieses 5-Jahres-Zeitraums bei anhängigen Rechtsmitteln bis zur rechtskräftigen Entscheidung sowie gegen Entgeltzahlung einmalig um ein weiteres Jahr vorgesehen.

B. Feststellungen des BGH

I. Während der Schwebezeit besteht kein befristetes Vertragsverhältnis

Der BGH nutzt zunächst die Gelegenheit, um klarzustellen, dass hier zum Zeitpunkt der Kündigung – vor der Inbetriebnahme – noch kein befristetes Vertragsverhältnis im Sinne des § 542 Absatz 2 BGB vorlag.

Ein befristetes Vertragsverhältnis liegt dann vor, wenn es ohne weitere Erklärung zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt enden soll. Der BGH schließt sich dem OLG Hamm (Urteil vom 2. Juli 2020 – 5 U 81/19 –, Rn. 146, juris) an: Ist aus Sicht der Vertragsparteien ungewiss, ob ein Ereignis (hier die Inbetriebnahme) überhaupt jemals eintreten werde, beginne die fest vereinbarte Mietzeit erst mit dem Eintritt des Ereignisses als aufschiebende Bedingung im Sinne des § 158 Absatz 1 BGB. Im vorliegenden Fall sei den Parteien angesichts der offenen Planungs- und Genehmigungsfragen klar gewesen, dass die Anlage möglicherweise überhaupt nicht realisiert werden könne – eine Argumentation, die für viele Konstellationen greifen dürfte. Insoweit ist die Laufzeit in dieser Phase des Nutzungsvertrags also „offen“.

Damit bestätigt der BGH, dass in der „Schwebezeit“ bis zum Eintritt der Bedingung mangels befristetem Vertragsverhältnis grundsätzlich ordentlich gekündigt werden kann (so auch OLG Hamm, Urteil vom 2. Juli 2020 – 5 U 81/19, Rn. 146 ff. und OLG Dresden, Beschluss vom 6. April 2021 – 5 U 73/21 – juris Rn. 60).

II. Annahme eines konkludenten Kündigungsausschluss

Der BGH stellt jedoch klar, dass das Recht zur ordentlichen Kündigung grundsätzlich auch für die Zeit vom Vertragsschluss bis zum Beginn der festen Vertragslaufzeit ausgeschlossen werden kann.

Im vorliegenden Fall nahm der BGH dabei einen konkludenten Kündigungsausschluss durch Auslegung der Kündigungs- und Rücktrittsklauseln an. Aus der Kündigungsklausel lasse sich schließen, dass eine Kündigung des Nutzungsvertrags grundsätzlich ausgeschlossen sein soll. Die Regelungen zum Rücktrittsrecht wären sinnlos, wenn sich der Grundstückseigentümer im „Schwebezeitraum“ bis zur Inbetriebnahme jederzeit durch eine ordentliche Kündigung vom Vertrag lösen könne. Praxisnah stellt der BGH hier klar,

[…], dass letztendlich die Realisierung von Windenergieanlagen nicht möglich wäre, wenn die vertraglich gebundenen Grundstückseigentümer jederzeit die Möglichkeit hätten, bis zur Entscheidung über die immissionsschutzrechtliche Genehmigung den Nutzungsvertrag durch eine ordentliche Kündigung zu beenden. Dieses besondere Interesse des Anlagenbetreibers an der Sicherung des Fortbestands der Nutzungsverträge während der Genehmigungsphase ist den durchschnittlichen Vertragspartnern des Anlagenbetreibers – meist Eigentümer von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken – bekannt […]” (Rn. 32).

III. Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ist nicht unwirksam gem. § 307 Absatz 1 S. 1 BGB

Da es sich bei dem entscheidungsrelevanten Nutzungsvertrag und der darin enthaltenen offenen Laufzeitklausel um vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelte, musste der BGH zuletzt klären, ob der Grundstückseigentümer durch den Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit während der (gegebenenfalls) unbefristeten und hier sogar entgeltlosen ersten Phase des Nutzungsvertrags unangemessen benachteiligt wird.

Dies lehnt der BGH ab – und das ist wahrscheinlich die wichtigste Feststellung des Urteils. Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts sei nicht unwirksam gemäß § 307 Absatz 1 S. 1 BGB, da er den Beklagten – den Grundstückseigentümer – während der ersten Phase des Nutzungsvertrages nicht unangemessen benachteilige. Dies gelte, obwohl der Anspruch des Grundstückeigentümers auf Nutzungsentgelt hier erst mit dem Beginn des Baus der Windenergieanlage entstehe und damit schon vor der ersten Zahlung vertragliche Pflichten für den Eigentümer bestünden.

In der Abwägung zeigt der BGH abermals einen guten Blick für die praktische Interessenlage. Die Verpflichtung des Eigentümers beschränke sich während des entgeltlosen Zeitraums darauf, sein Grundstück bereitzuhalten, falls die notwendige Genehmigung für die Anlage erteilt werde. Die entgeltlose Vertragslaufzeit sei zudem begrenzt. Das berechtigte Interesse des Grundstückseigentümers, nicht dauerhaft an den Nutzungsvertrag gebunden zu sein, ohne ein Entgelt zu enthalten, sieht der BGH hier durch das enthaltene Rücktrittsrecht angemessen berücksichtigt:

[…] Die Betreiberin muss erhebliche Vorleistungen im Rahmen der Planung und für die Errichtung der Anlage erbringen und kann im Voraus nicht verlässlich angeben, welcher Zeitraum bis zur Genehmigungserteilung verstreichen wird. Der Grundstückseigentümer hingegen kann in diesem Zeitraum sein Grundstück weiter wirtschaftlich nutzen und wird ab der Inbetriebnahme der Anlagen ein erhebliches Entgelt erhalten, obwohl er auch dann sein Grundstück landwirtschaftlich verwenden kann. Werden die wechselseitigen Interessen der Vertragsparteien – wie im vorliegenden Nutzungsvertrag – angemessen berücksichtigt, wird der Grundstückseigentümer durch eine mögliche – entgeltlose – Wartezeit von über fünf Jahren nicht unangemessen benachteiligt“ (Rn. 39)

In dieser Hinsicht schließt sich der BGH der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. April 2018 – 14 U 217/17 – juris Rn. 47; OLG Brandenburg Urteil vom 30. März, 2011 – 3 U 113/10 – juris Rn. 49) an.

Sofern im Übrigen der Betreiber nach Erteilung der Genehmigung den Baubeginn schuldhaft hinauszögert, steht dem Grundstückseigentümer ggf. die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu oder er kann ggf. eine Zahlung in Höhe der Nutzungsentgeltes verlangen.

Durch diese Klarstellungen gibt der BGH der Branche ein Mehr an Rechtssicherheit. Es ist jedoch weiterhin stets eine konkrete Abwägung der gesamten Vertragsgestaltung vorzunehmen, um beurteilen zu können, ob der Kündigungsausschluss innerhalb der Schwebezeit bei Verwendung einer offenen Laufzeitklausel im konkreten Fall wirksam ist.  

C. Bedeutung für die Branchenpraxis und Vertragsgestaltung

Bei der Verwendung offener Laufzeitklauseln liegt auch nach dem BGH in der „Schwebezeit“ ein unbefristetes Vertragsverhältnis vor, welches grundsätzlich bis zum Eintritt des Ereignisses ordentlich gekündigt werden kann.

Dem kann jedoch durch sorgfältige Vertragsgestaltung entgegengewirkt werden:

  • So sollte zum einen das ordentliche Kündigungsrecht auch für die „erste Phase“ des Vertrages ausdrücklich ausgeschlossen werden. Allerdings: Auch wenn (z.B. in Altverträgen) kein ausdrücklicher Ausschluss eines solchen Kündigungsrechts geregelt ist, kann ggf. mit den Argumenten des BGH ein konkludenter Ausschluss des Kündigungsrechts durch interessengerechte Auslegung des jeweiligen Vertrages vertreten werden.
  • Ferner sollten für beide Parteien explizite, wechselseitig ausgewogene Rechte zur Beendigung des Vertrages aufgenommen werden. Die damit einhergehende maximale zeitliche Begrenzung der „Schwebephase“ hat für den BGH erhebliche Bedeutung für die Wirksamkeit des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit. Diese Rechte müssen auch weiterhin so ausgestaltet werden, dass der Grundstückseigentümer nicht unangemessen lange oder zu unangemessenen Bedingungen im Vertrag festgehalten wird, ohne ein Nutzungsentgelt zu erhalten.
  • Die Parteien sollten eindeutig regeln, dass dem Eigentümer die landwirtschaftliche oder sonstige Nutzung des Grundstücks bis zum Baubeginn weiterhin gestattet ist.
  • Auch wenn hier jeweils eine Gesamtabwägung im Einzelfall notwendig ist, lassen sich aus der Entscheidung genauere Vorgaben für die Gestaltung eines Vertrages mit offener Laufzeitklausel ableiten. Denn hier hat der BGH – durchaus „betreiberfreundlich“ – die Regelung zum Ausschluss des Kündigungsrechts für angemessen erachtet, wobei
    • ein Entgelt erst ab Baubeginn vorgesehen war und
    • ein Rücktrittsrecht vorgesehen war, sofern
      • innerhalb von 5 Jahren ab Unterzeichnung keine Genehmigung für die Windenergieanlage erteilt wurde oder zeitnah bevorstünde bzw.
      • eine Verlängerung des 5-Jahres-Zeitraums bei anhängigen Rechtsmitteln bis zur rechtskräftigen Entscheidung sowie gegen Entgeltzahlung einmalig um ein weiteres Jahr möglich war.
  • So kann aus dem Urteil verallgemeinernd zumindest der Schluss gezogen werden, dass es der Angemessenheit nicht per se entgegensteht,
    • wenn der Grundstückseigentümer nicht direkt nach Vertragsschluss ein Reservierungsentgelt erhält und
    • wenn eine Verlängerung der Frist zur Beendigung für den Fall einer Anfechtung der Genehmigung oder durch den Nutzer initiierten Rechtsstreits gegen eine versagte Genehmigung im Vertrag vorgesehen ist.
  • Je nach Energieträger und konkreten Umständen des Projektes können dabei allerdings andere – ggf. auch nur kürzere – Fristen oder andere Voraussetzungen (z.B. abhängig von den Voraussetzungen der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit von bestimmten Anlagen) als angemessen betrachtet werden.

D. Zusammenfassendes Fazit

Das Urteil ist eine für die Branche begrüßenswerte Grundsatzentscheidung.

Nach Vorliegen des BGH-Urteils sind offene Laufzeitklauseln in Nutzungsverträgen neu zu bewerten. Das Risiko der Kündbarkeit von Verträgen während der Schwebezeit dürfte sich damit zumindest in einer Vielzahl von Fällen deutlich reduziert haben.

In der weiteren Gestaltung von Flächennutzungsverträgen ist vor dem Hintergrund des BGH-Urteils durchaus eine „Renaissance“ von offenen Laufzeitklauseln denkbar.

Allerdings ist bei der Gestaltung der entsprechenden vertraglichen Regelungen äußerste Sorgfalt, „Fairness“ und auch die Berücksichtigung der Besonderheiten der einzelnen Energieträger und Projekte geboten. So können beispielsweise auch weiterhin längere Rücktritts-/Kündigungsfristen als im konkreten Projekt erforderlich, unklare Voraussetzungen des Rücktritts-/Kündigungsrechts, eine gewillkürte Verzögerung der Projektrealisierung und mithin der Zahlung des Nutzungsentgeltes oder eine unbegrenzte Aufschubmöglichkeit des Rücktritts-/Kündigungsrechts durch Zahlung eines Warteentgelts dazu führen, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit in der Schwebezeit als unwirksam anzusehen ist. Und nicht zuletzt ist zu beachten, dass das gesetzliche außerordentliche Kündigungsrecht nach § 544 BGB i. V. m. § 581 Absatz 2 BGB weiterhin gilt und jede Partei berechtigt, den Vertrag 30 Jahre nach Überlassung des Grundstücks mit gesetzlicher Frist zu kündigen.