Weiter schwere Zeiten für Elektrolyseurvorhaben – offenbar kein Einsehen der Politik

22.02.2021 Weiter schwere Zeiten für Elektrolyseurvorhaben – offenbar kein Einsehen der Politik

Weiter schwere Zeiten für Elektrolyseurvorhaben – offenbar kein Einsehen der Politik

Elektrolyseurprojekte hatten es in der Vergangenheit bereits nicht einfach, da der geltende Rechtsrahmen die Zulässigkeit und das Erfordernis von Genehmigungsverfahren für die Vorhaben nicht eindeutig qualifiziert.

So gibt es in der Praxis regelmäßig Unstimmigkeiten mit den Genehmigungsbehörden, ob eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich ist oder es stellen sich bauplanungsrechtliche Fragen, wenn ein Elektrolyseurvorhaben im planungsrechtlichen Außenbereich errichtet werden soll. Im letzteren Fall ist insbesondere die Frage, ob zwingend ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss (weil keine Privilegierung gemäß § 35 BauGB gegeben ist) oder eine Außenbereichsprivilegierung genutzt werden – wenn jedenfalls der Elektrolyseur betriebskonzeptionell mit einem vorhandenen Windpark verbunden werden soll –, da in diesem Fall auch ein Anknüpfen an die Windenergienutzungsprivilegierung (§ 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB) denkbar ist (wir hatten darüber berichtet, vergleiche hier).

Während in hinreichender Deutlichkeit mehrfach und in vielen Zusammenhängen von uns dargestellt wurde, dass nach den jetzigen rechtlichen Regelungen im Immissionsschutzrecht eine Genehmigungspflicht für Elektrolyseure nicht gegeben sein kann, da diese nicht in der notwendigen Weise in den rechtlichen Grundlagen als immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig benannt werden, hat der Ausschuss Anlagenbezogener Immissionsschutz / Störfallvorsorge (AISV) in der Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) noch gegen alle von uns vorgebrachten Argumente begründungslos (vgl. Beschluss aus 139. Sitzung vom 4. bis 6. Juli 2017) vertreten, dass Elektrolyseure der gleichen Genehmigungskategorie zu unterfallen haben, wie Anlagen zur fossilen Herstellung von Wasserstoff (beispielweise Erdgasreformation), die mit erheblichen Umweltauswirkungen und CO2 Belastungen einhergeht (nämlich der Ziffer 4.1.12 des Anhangs 1 der 4. BImSchV), anders als die CO2 neutrale Elektrolyse (insbesondere auch vollumfassend, wenn das Betriebskonzept eines Elektrolyseurs mit erneuerbar gewonnenem Strom verknüpft ist).

  • Zu der Argumentation, weshalb aus rechtlichen Gründen ein Elektrolyseur nicht unter die bisherigen Regelungen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht fallen, vergleiche den bereits seit 2016 verfügbaren Beitrag des Autors hier sowie die weiteren Ausführungen in der Stellungnahme des Landesverband Erneuerbare Energien SchleswigHolstein, an dem der Autor mitgewirkt hat, hier.

Inzwischen hat der Ausschuss für anlagenbezogenen Immissionsschutz in der Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz auf der 147. Sitzung am 10. November 2020 vorgeschlagen, folgende Änderungen in den immissionsschutzrechtlichen Grundlagen (hier der enumerativen Aufzählung der immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Anlagen am Anhang 1 der 4. BImSchV) vorzunehmen:

Ergänzung des Anhang 1 zu § 1 der 4. BImSchV um Nr. 1.17 wie folgt:
 

Anhang 1

Erfreulich ist daran alleine, dass nun inzwischen auch der AISV in der LAI verstanden zu haben scheint, dass nach der bisherigen Rechtslage eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflichtigkeit von Elektrolyseuren nicht gegeben ist, so dass eine entsprechende Erweiterung des Anhangs 1 der 4. BImSchV notwendig ist. Insofern ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Rechtssicherheit durch eine ausdrückliche Regelung für Elektrolyseure in Immissionsschutzrecht getroffen werden soll. Vergleiche zur Durchführung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren auch den Power-to-Gas-Leitfaden.

Allerdings geht dieser Vorschlag in die vollständig falsche Richtung. Auch der Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein hatte bereits in der oben genannten Stellungnahm einen Vorschlag unterbreitet, wie eine Anpassung der gesetzlichen Lage aussehen kann. Abgesehen davon, dass dort auch ein Vorschlag zur Änderung des Planungsrecht enthalten ist, wurde vom LEE die Grenze für das Vollgenehmigungsverfahren bei 10 MW gesetzt, was praxisnah ist. Die Grenze von 1 MW führt dazu, dass im Grunde jeder Elektrolyseur dem Vollgenehmigungsverfahren unterliegt.

Der Vorschlag des AISV in der LAI hat aber einen weiteren bitteren Unterschied. Denn insbesondere soll ein Elektrolyseur, der mit mehr als 1 MW Nennleistung dem immissionsschutzrechtlichen Vollgenehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegt, entsprechend der bisherigen – falschen – rechtlichen Praxis als Industrieimmissionsanlage eingeordnet werden. Mit dieser Einstufung gehen viel Sonderpflichten einher (bspw. die Anfertigung eines Ausgangszustandsberichts, die Immissionseigenüberwachung und die Anwendbarkeit der „besten verfügbaren Techniken“ – BVT), die hohe – auch wirtschaftliche – Bedeutung für die Vorhaben haben können. Die europäische Industrie-Emissionsrichtlinie adressiert Vorhaben, die besonders umweltschädlich sind, da der Betrieb hohe umweltschädliche Immissionsbelastungen („Umweltverschmutzungen“, vgl. (1) der Grundsatzerwägungen der Richtlinie 2010/75/EU) mit sich bringt. Elektrolyseure fallen – offensichtlich – nicht in diese Kategorie, da der Betrieb dieser Anlage keinerlei umweltverschmutzende Folgen hat – das ist ja gerade der Grund für die Errichtung jener Anlagen.

Der Vorschlag des AISV kann deswegen nur als Scherz gewertet werden. Würde eine solche Fehlbewertung Eingang in die Verordnungsrealität des Immissionsschutzrechts bekommen, läge eine Fehlanwendung der europarechtlichen Grundlagen durch einen Mitgliedsstaat vor, die ihresgleichen sucht.

Ansprechpartner

Dr. Jörn Bringewat
Rechtsanwalt | Partner

E-Mail: Bringewat@vbvh.de
Tel.: 030/8092482-20