Viel Schatten und ein bisschen Licht – Das Änderungsgesetz zum EnWG aus der Sicht von Stromspeichern

16.03.2021 Viel Schatten und ein bisschen Licht – Das Änderungsgesetz zum EnWG aus der Sicht von Stromspeichern

Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zur anstehenden Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) liegt nun dem Bundesrat (BR-Drs. 165/21) und dem Bundestag zur weiteren Beratung vor. Dies wurde auch höchste Zeit – schließlich dient er unter anderem der Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU-Richtlinie 2018/2001 vom 11. Dezember 2018, im Folgenden „EE-RL“) sowie der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EU-Richtlinie 2019/944, im Folgenden „EBM-RL“, auch Market Design Directive oder MDD genannt). Die EBM-RL hätte bereits zum 31. Dezember 2020 umgesetzt werden müssen. Für die EE-RL läuft die Umsetzungsfrist noch bis zum 30. Juni 2021.

Der europarechtliche Hintergrund der aktuellen Reform

Beide Richtlinien sind Teil des sogenannten Paketes „Saubere Energie für alle Europäer“ (auch: „Clean Energy Package“, kurz: CEP). Bei dem Clean Energy Package handelt es sich um ein Maßnahmenpaket der EU, bestehend aus mehreren Richtlinien und Verordnungen in den Bereichen Elektrizitätsbinnenmarktordnung, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. In der EBM-RL sind dabei explizite Regelungen in Bezug auf Speicher und aktive Kunden (Prosumer) vorgesehen. So sieht die EBM-RL unter anderem in Artikel 2 Nummer 59 eine Definition der Energiespeicherung vor und formuliert in Artikel 15 klare Vorgaben an den nationalen Rechtsrahmen für Prosumer und Betreiber von Speichern. So haben die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 15 Absatz 1 EBM-RL zu gewährleisten, dass Endkunden das Recht haben, als aktive Kunden zu handeln, ohne unverhältnismäßigen oder diskriminierenden technischen Anforderungen, administrativen Anforderungen, Verfahren, Umlagen und Abgaben sowie nicht- kostenorientierten Netzentgelten unterworfen zu werden. Zudem müssen sie nach Artikel 15 Absatz 5 lit. b) EBM-RL, dafür sorgen, dass aktive Kunden, die einen Speicher betreiben, für gespeicherte Elektrizität, die an Ort und Stelle verbleibt, oder wenn sie für Netzbetreiber Flexibilitätsdienstleistungen erbringen, keiner doppelten Entgeltpflicht unterworfen sind. Ferner enthält die EBM-RL in den Artikeln 36 und 54 Vorgaben dazu, in welchen Ausnahmefällen Speicher auch durch Netzbetreiber errichtet und betrieben werden dürfen.

Der Gesetzesentwurf betrifft verschiedene Bereiche des EnWG, unter anderem auch den der Stromspeicher. Die möglichen Änderungen, die hier auf uns zukommen könnten, nehmen wir im Folgenden einmal vorab unter die Lupe.

Für Stromspeicher relevante neue Definitionen im E-EnWG

Zunächst soll eine neue Definition von „Energiespeicheranlagen“ in § 3 Nummer 15d E-EnWG eingeführt werden. Energiespeicheranlagen sollen demnach

„Anlagen, die elektrische Energie zum Zwecke der elektrischen, chemischen, mechanischen oder physikalischen Zwischenspeicherung verbrauchen und als elektrische Energie erzeugen oder in einer anderen Energieform wieder abgeben“

sein. Diese Definition soll die in Artikel 2 Nummer 59 der EBM-RL festgelegte Definition zur Energiespeicherung und der Anlage zur Energiespeicherung umsetzen.

Insoweit ist leider festzustellen, dass bei Beibehaltung dieser Definition erneut eine Gelegenheit verpasst würde, Speicher als eigenständiges Element im Energierecht zu etablieren. Es würde vielmehr dabei bleiben, dass Speicher über die Begriffe der „Erzeugung“ und des „Verbrauchs“ definiert werden. Mit der Einordnung von Energiespeichern als Erzeuger und Verbraucher geht jedoch einher, dass Speicher zunächst mit einer Vielzahl von – großenteils nicht sachgerechten – Rechtsfolgen belastet sind, von denen sie dann erst wieder per Ausnahmeregelung befreit werden müssen. Dies führt jedoch zu vielfältigen Problemen und Unklarheiten, insbesondere bei Multi-Use-Speichern. Das wesentliche Element der Definition nach der EBM-RL, die zeitliche Verschiebung der Nutzung der Energie, wird in § 3 Nummer 15d E-EnWG überhaupt nicht aufgegriffen. Es fehlt zudem auch an einer Nutzung des Begriffs der „Energiespeicheranlage“. So wird in anderen Gesetzen, und sogar im EnWG, nach wie vor von „Stromspeichern“ (§ 61l EEG 2021), von „stationären Batteriespeichern“ (§ 5 Absatz 4 StromStG) oder von „Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie“ (§ 118 Absatz 6 EnWG) gesprochen. Allein in den §§ 11a und 11b des Entwurfs wird der Begriff genutzt.

Eine weitere neue Definition zu „vollständig integrierten Netzkomponenten“ soll § 3 Nummer 38b E-EnWG enthalten:

„Netzkomponenten, die in das Übertragungs- oder Verteilernetz integriert sind, einschließlich Energiespeicheranlagen, und die ausschließlich der Aufrechterhaltung des sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs und nicht der Bereitstellung von Regelenergie oder dem Engpassmanagement dienen.“

Derartige „vollständig integrierten Netzkomponenten“ sollen durch Netzbetreiber betrieben werden können, ohne dass deren Errichtung und Betrieb an den Regelungen des § 11a und 11b E-EnWG gemessen werden müssen (siehe dazu sogleich). Es ist daher möglich, dass zukünftig Stromspeicher als solche „vollständig integrierten Netzkomponenten“ durch Netzbetreiber gebaut werden. Dabei unterliegen sie jedoch der regulierungsrechtlichen Kontrolle durch die Bundesnetzagentur, ob die Voraussetzungen der Definition eingehalten sind.

Betrieb von Stromspeichern durch Netzbetreiber

In Umsetzung von Artikel 36 Absatz 1 und 54 Absatz 1 der EBM-RL sehen die §§ 7 Absatz 1 Satz 2 und 8 Absatz 2 Satz 4 E-EnWG vor, dass es Verteilnetzbetreibern sowie Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland grundsätzlich untersagt ist, Eigentümer einer Energiespeicheranlage zu sein oder eine solche zu errichten, zu verwalten oder zu betreiben.

In weiterer Umsetzung der Artikel 36 und 54 der EBM-RL ist hierzu jedoch in den §§ 11a und 11b E-EnWG vorgesehen, dass Netzbetreiber Speicher betreiben dürfen, soweit eine vorherige Ausschreibung des Speichers zu dem Ergebnis geführt hat, dass kein drittes Unternehmen den Speicher zu geringeren Kosten errichten kann als der Netzbetreiber selbst. Ergänzender Hinweis: Strukturell ähnliche Regelungen soll es künftig übrigens auch für Elektromobilitäts-Ladepunkte geben, die Netzbetreiber bei örtlichem Marktversagen ebenfalls betreiben können sollen (vgl. § 7c E-EnWG).

Um eine entsprechende Speicher-Ausschreibung durchführen zu dürfen, muss der Netzbetreiber zunächst die Notwendigkeit des Speichers zur Aufrechterhaltung eines sicheren und effizienten Netzbetriebes gegenüber der Bundesnetzagentur darlegen. So dürfte zum Beispiel keine Notwendigkeit vorliegen, einen Speicher zu bauen, wenn der Netzbetreiber die Möglichkeit hat, entsprechende Flexibilität in dem jeweiligen Netzbereich als Dienstleistung bei Dritten einzukaufen.

Die Regelung enthält dabei in Absatz 2 ein Verbot – egal ob für den Netzbetreiber oder für den Speicherbetreiber, sofern es ein Dritter ist –, den Speicher zu irgendeinem anderen Zweck zu nutzen, als zur Stützung des Netzes. Diese Regelung wird seitens der Speicherbranche kritisiert, weil sie erneut den Bau und Betrieb von Multi-Use-Speichern verhindern wird, die ihr volles Potential ausschöpfen könnten. Zudem können Dritte in ihren Angeboten zur Errichtung eines solchen Speichers nicht einkalkulieren, dass über die netzstützenden Maßnahmen hinaus Einnahmen an anderen Märkten für Flexibilität generiert werden können. Dementsprechend wird erwartet, dass es Netzbetreibern möglich sein wird, die Ausschreibung so zu gestalten, dass kein Dritter den Speicher zu günstigeren Kosten errichten kann als sie selbst. Im Ergebnis ist insoweit zu erwarten, dass wir in den nächsten Jahren die Errichtung von Speichern durch Netzbetreiber in Deutschland verstärkt sehen werden, soweit es bei den Regelungen im Entwurf des EnWG bleibt. Hierüber wird in den nächsten Monaten allerdings noch heftig gestritten werden.

Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen

Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des EnWG enthält zudem einen neuen § 14c zur „Marktgestützten Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen im Verteilernetz“. Danach ist Folgendes vorgesehen:

„Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen, die Flexibilitätsdienstleistungen für ihr Netz beschaffen, um die Effizienz bei Betrieb und Ausbau ihres Verteilernetzes zu verbessern, haben dies in einem transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren durchzuführen“

Ausweislich der Begründung zu § 14c E-EnWG soll die Regelung dazu dienen, Artikel 32 Absatz 1 und 2 EBM-RL umzusetzen. Ziel der Norm sei es zudem, ökonomische Potentiale zu heben.

Dabei ist nicht spezifiziert, um welche Dienstleistungen es sich dabei handeln kann oder soll. Die Ausgestaltung der konkreten Spezifikationen und standardisierten Marktprodukte soll der Bundesnetzagentur obliegen. Diese kann die Beschaffung jedoch auch an die Verteilernetzbetreiber delegieren und deren Vorschläge genehmigen. Nach der Übergangsregelung in § 118 Absatz 28 E-EnWG soll die Verpflichtung nach § 14c E-EnWG allerdings so lange ausgesetzt sein, bis die Bundesnetzagentur als zuständige Regulierungsbehörde das erste Mal in Form einer Genehmigung oder Festlegung nach § 14c Absatz 2 und 3 E-EnWG aktiv wird.

Aktuell ist schwer vorherzusehen, ob die marktgestützte Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen im Verteilernetz für die Betreiber von Speichern zu einem Business case werden kann oder nicht.

Abschaffung von Doppelbelastungen

Erfreulich ist, dass ein kleiner weiterer Schritt in Richtung Beseitigung der Doppelbelastung von Stromspeichern erfolgen soll. Dies soll durch eine Änderung der Stromnetzentgeltverordnung sowie der Verordnung zu abschaltbaren Lasten geschehen (Artikel 5 Nummer 4 und Artikel 9 des Entwurfs). Es wird vorgesehen, dass die Saldierungsbestimmungen des § 27a KWKG und mittelbar damit auch § 61l EEG auch auf die sogenannte § 19 StromNEV-Umlage sowie die sogenannte AbLaV-Umlage angewendet werden.

Was fehlt im Entwurf?

Weitere Regelungen, insbesondere zur Beseitigung von Rechtsunklarheiten und im Sinne von Multi-Use-Speichern sucht man hingegen im EnWG-Entwurf vergeblich. Insbesondere wurde § 118 Absatz 6 EnWG nicht geändert. Es ist insoweit zu befürchten, dass in Multi-Use-Systemen auch zukünftig ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit besteht, ob die Netzentgelte für den Strom entfallen, der aus dem Netz in den Stromspeicher eingespeichert wird. An dieser Stelle wäre eine Klarstellung wünschenswert.

Ferner wird der in der EBM-RL in den Mittelpunkt des Energiesystems der Zukunft gestellte „aktive Kunde“ durch den EnWG-Entwurf ignoriert.

Fazit

Der Entwurf des Änderungsgesetzes zum EnWG enthält aus der Sicht der Stromspeicherbranche neben ein wenig Licht sehr viel Schatten. Wer nach der Lektüre des Clean Energy Package freudig darauf gehofft hatte, dass auch die Bundesregierung die Weichen in Richtung eines deutlich dezentraleren Energiesystems stellt, in dem aktive Kunden bzw. Prosumer und Speicher eine bedeutende Rolle spielen, sieht sich schwer getäuscht. Vielmehr scheint es das Ziel zu sein, den aktuell für dezentrale Energiesysteme, Prosumer und Speicher feindlichen und an Bürokratie überbordenden Rechtsrahmen so lange wie möglich zu bewahren. Neben Regelungen wie § 118 Absatz 6 EnWG, die offensichtlich Multi-Use-Speicher diskriminieren und deren Vereinbarkeit mit dem Europarecht in den nächsten Monaten diskutiert werden dürfte, sind es die aus einem inkohärenten Rechtsrahmen resultierenden vielen bestehenden Unklarheiten und Rechtsunsicherheiten, die allein für sich genommen ausreichen, um innovative Geschäftsmodelle im Keim zu ersticken.

Zu beachten ist allerdings, dass das Gesetzgebungsverfahren noch am Anfang steht. Im Parlament kann es noch zu weitreichenden Änderungen an dem Entwurf kommen, wie wir im Rahmen der Novelle zum EEG erst kürzlich gesehen haben. Es bleibt insoweit die Hoffnung, dass es auch in diesem Gesetzgebungsverfahren noch zu Änderungen kommen wird, die dazu führen werden, dass die Diskrepanz zwischen den Vorgaben aus Brüssel und der Umsetzung in Deutschland zumindest abgemildert werden.

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