Update: Ungleiches zu Gleichem: Verordnung zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen in Kraft getreten

11.10.2017 Update: Ungleiches zu Gleichem: Verordnung zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen in Kraft getreten

Nachdem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im März 2017 ein Eckpunktepapier für die ab 2018 vorgesehenen technologieoffenen Ausschreibungen veröffentlicht worden war, vBVH berichtete, ist nunmehr die Verordnung zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Solaranlage (GemAV) in Kraft getreten. Mit der GemAV werden die Rahmenbedingungen geschaffen, um die nach dem EEG 2017 vorgesehenen gemeinsamen Auktionen im Umfang von jährlich 400 Megawatt installierter Leistung in den Jahren 2018 bis 2020 durchzuführen.

Grundzüge des Ausschreibungsdesigns

Wie bereits der Entwurf sieht die nunmehr erlassene Verordnung vor, dass die Bundesnetzagentur in den Jahren 2018 bis 2020 jährlich gemeinsame Ausschreibungen von Windenergieanlagen an Land und PV-Anlagen im Umfang von 400 MW durchführt. Dazu gibt es pro Jahr zwei Gebotstermine mit einem Ausschreibungsvolumen von jeweils 200 MW. Bei diesen Gebotsterminen können die Betreiber von Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen für ihre Anlagen Gebote abgeben. Die Gebote werden dann energieträgerübergreifend gereiht und in aufsteigender Reihenfolge beginnend mit dem günstigsten Gebot bezuschlagt.

Im Vergleich zu dem im März veröffentlichten Referentenentwurf des BMWi hat die Verordnung in ihrer derzeitigen Gestalt lediglich minimale Änderungen erfahren. Die Besonderheiten des Ausschreibungsdesigns der GemAV, wie etwa der Verzicht auf das Referenzertragsmodell, die Festlegung eines gemeinsamen Höchstwerts, sowie die Einführung des neuen Instruments der Verteilernetzkomponente (dazu sogleich) haben im Wesentlichen unverändert Einzug in die finale Fassung der Verordnung gefunden.

Getestet werden sollen die gemeinsamen Ausschreibungen, ohne dass die im EEG 2017 festgelegten technologiespezifischen Ausbauziele überschritten werden. Das bedeutet: Die 400 MW werden von dem Brutto-Ausschreibungsvolumen für Windenergie an Land (2.800 MW im Jahr 2018) und Photovoltaik (600 MW im Jahr 2018) abgezogen.

Abweichend von der zunächst geltenden Regelung, dass in den ersten beiden Ausschreibungsrunden im Jahr 2018 für PV-Analgen und Windenergieanlagen ein gemeinsamer Höchstwert von derzeit 8,84 ct/kWh gelten wird, sollen in den folgenden Ausschreibungsrunden in 2019 und 2020 für Windenergieanlagen an Land differenzierte Höchstpreise festgelegt werden. Der Höchstwert ist der Wert, der maximal geboten werden darf. Überschreitet der im Gebot angegebene Gebotswert den Höchstwert, wird das Gebot vom Zuschlagsverfahren ausgeschlossen.

Anders als noch im Eckpunktepapier vorgesehen, gelten im Übrigen abweichende Regelungen von der 10 MW-Grenze bei Freiflächenanlagen. Nach der GemAV darf nämlich in sogenannten Regionen mit besonderem Flächenpotential ein Gebot eine zu installierende Leistung von bis zu 20 MW umfassen. Regionen mit besonderem Flächenpotential sind nach der Verordnungsbegründung solche, die aufgrund von Tagebauaktivitäten große, zusammenhängende Flächen aufweisen und hierdurch die Installation größerer, spezifisch kostengünstigerer Solaranlagen erlauben sollen. Dieses Flächen- und Kostensenkungspotential soll im Rahmen des Pilotvorhabens zu den gemeinsamen Ausschreibungen teilweise erschlossen werden, indem die maximale Gebotsgröße in diesen Regionen angehoben wird.

Die für Bürgerenergiegesellschaften bei Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land ansonsten geltenden besonderen Privilegien finden im Rahmen der gemeinsamen Ausschreibungen keine Anwendung.

Referenzertragsmodell und Verteilernetzkomponente

Das Referenzertragsmodell, eigentlich Korrektiv um für windstärkere und windschwächere Standorte vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, ist in der nunmehr verabschiedeten Verordnung nach wie vor nicht vorgesehen. Alle Standorte werden somit grundsätzlich zunächst gleich behandelt. Zum Ausgleich sollen jedoch für Windenergieanlagen an Land in den Jahren 2019 und 2020 regionale, landkreisspezifische Höchstwerte eingeführt werden, die anhand der Windhöffigkeit der unterschiedlichen Standorte festgelegt werden. Insgesamt hat der Verordnungsgeber drei Höchstwertgebiete (Nord, Mitte und Süd) festgelegt. Der maßgebliche Höchstwert ist hierbei der letzte vor der Bekanntmachung des Gebotstermins der gemeinsamen Ausschreibung durch die Bundesnetzagentur bekanntgemachte Höchstwert in den energieträgerspezifischen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land. Die Höchstwerte im Höchstwertgebiet 1 (Nord) wurden hierbei in Höhe von 100 Prozent des Höchstwertes, im Höchstwertgebiet 2 (Mitte) in Höhe von 116 Prozent und im Höchstwertgebiet 3 (Süd) auf 129 Prozent festgelegt. Hieraus ergibt sich ein – absteigendes – „Süd-Nord-Gefälle“ der festgelegten Höchstwerte.

Mit Inkrafttreten der Verordnung wird zudem als neues Instrument zur Kostensteuerung die sogenannte Verteilernetzkomponente eingeführt. Sie soll dazu beitragen, dass die Netz- und Systemintegrationskosten in den gemeinsamen Ausschreibungen berücksichtigt werden.

Dazu werden zunächst die Gebiete ermittelt, in denen weiterer Anlagenzubau einen Ausbau der Verteilernetze nötig macht (Verteilernetzausbaugebiete). Gebote für Windenergieanlagen an Land oder PV-Anlagen in diesen Gebieten werden bei der Gebotsreihung dann mit einem Aufschlag belegt: der Verteilernetzkomponente. Dadurch soll sich die Zuschlagschance für diese Gebote verringern und damit die Zubaugeschwindigkeit in den Verteilernetzausbaugebieten verlangsamen.

Bewertung

In der Branche gehen die Meinungen über die anstehenden gemeinsamen Ausschreibungen auseinander: So wird teilweise kritisiert, die Verordnung schaffe keine fairen Wettbewerbsbedingungen, die einen ausgewogenen Mix aus erneuerbaren Energien sicherstellen würden. Befürchtet wird unter anderem, dass sich eine der Technologien – Wind oder Solar – komplett durchsetzen könnte. Demgegenüber wird die Erprobung der technologieübergreifenden Ausschreibungen von anderen Branchenvertretern durchaus auch als begrüßenswert angesehen, da diese einen starken Wettbewerb anreizen würden und demnach größere Potenziale zur Kostensenkung im Bereich der jeweiligen Anlagenentwicklung und -technologie frei werden ließen.

Nach wie vor hält die Bundesregierung daran fest, dass die gemeinsamen Ausschreibungen Pilotprojekte sind. Ob nach der Testphase weitere gemeinsame Ausschreibungen stattfinden werden, ist daher offen.

Ansprechpartner

Julia Rawe
Rechtsanwältin

E-Mail: Rawe@vbvh.de
Tel.: 030/8092482-20