Bis Mitte des Jahres 2015 war weitgehend anerkannt, dass in den Abgasstrang eines BHKW integrierte Turbinen mit eigenem Generator (sog. Abgasturbinen) als Gasturbinen im Sinne des EEG anzusehen sind und den Anlagenbetreibern für den in Abgasturbinen erzeugten Strom ein Anspruch auf den Technologiebonus zusteht. Im Sommer 2015 veröffentlichte die Clearingstelle EEG jedoch ein Votum vom 15. Juli 2014 (2013/76) , in welchem sie zu dem Ergebnis kam, dass Abgasturbinen keine Gasturbinen im Sinne des EEG seien. Zahlreiche Netzbetreiber forderten daraufhin die bis dahin vorbehaltlos ausgezahlten Boni zurück und stellten die Zahlungen auf den Bonus ein.
Die Anlagenbetreiber entschlossen sich, den Anspruch gerichtlich klären zu lassen. Eine Reihe von Klageverfahren werden auch von unserer Kanzlei geführt. Aktuell haben wir fünf landgerichtliche Urteile erstritten. Vier davon sprechen den Anlagenbetreibern den Bonus zu (LG Oldenburg, Urteile vom 13. April 2017, Az 16 O 2429/16 und 16 O 2153/16, LG Bielefeld, Urteil vom 12. September 2017, Az. 10 O 71/16 und das LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 31. August 2017, Az. 11 O 291/16). Die Urteile sind sämtlich noch nicht rechtskräftig.
Technologiebonus für innovative Anlagentechnik
Der Technologiebonus wird Betreibern von Biogasanlagen für Strom gewährt, der durch Nutzung innovativer Anlagentechnik erzeugt wurde. Die Grundvergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhöht sich dann um 2 ct/kWh. Bonusberechtigte Anlagen, Techniken und Verfahren sind beispielsweise Brennstoffzellen, Gasturbinen, Dampfmotoren, ORC-Anlagen und Kalina-Cycle-Anlagen. Gleichzeitig muss alternativ eine zeitweilige Wärmenutzung erfolgen oder ein elektrischer Wirkungsgrad von mindestens 45 % (letzteres für Anlagen nach dem EEG 2009) erreicht werden. Der Anspruch auf den Technologiebonus besteht nur für Strom aus Anlagen mit einer Leistung bis einschließlich 5 MW, die nach dem EEG 2004 oder dem EEG 2009 in Betrieb genommen wurden.
Abgasturbine
Die im streitigen Fall genutzte Gasturbine nutzt die Abgase aus einem Kolbenmotor, beispielsweise einem Biogas-Blockheizkraftwerk (BHKW), für den Antrieb einer Hochgeschwindigkeitsturbine und eines mit dieser verbundenen Generator. Mit diesem auch als „Nachverstromung“ bezeichneten und auch bei ORC-Anlagen häufig anzutreffenden Verfahren kann der elektrische Wirkungsgrad bei der Biogasverstromung auf ca. 47 Prozent gesteigert werden.
Bewertung des Votums der Clearingstelle EEG
Das Votum der Clearingstelle EEG überrascht. Bereits angesichts des klaren Wortlauts („Gasturbine“) wäre zu erwarten gewesen, dass die Clearingstelle EEG dem betroffenen Anlagenbetreibern den Bonus zuspricht. Auch die Gesetzesbegründung, wonach mit dem Technologiebonus innovative Anwendungen zur Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades und Gasturbinen aller Größenklassen gefördert werden sollen, dürfte wenig Zweifel an dem Anspruch aufkommen lassen. Dies gilt umso mehr als das EEG 2009 – anders noch als das EEG 2004 – die Nutzung der mit dem Technologiebonus geförderten Anlagen zur sogenannten Nachverstromung ausdrücklich vorsieht.
Die Clearingstelle EEG hat dann auch einigen Aufwand, ihr Ergebnis zu begründen. Im Kern begründet die Clearingstelle EEG ihre Entscheidung mit der Entstehungsgeschichte des EEG 2004/2009. Der Gesetzgeber habe nur solche Technologien fördern wollen, die bei Biomasseanlagen die üblichen Verbrennungsmotoren ersetzen, nicht aber zusätzlich zu diesen eingesetzt werden. Zudem habe der Gesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses des EEG 2009 unter Gasturbinen nur konventionelle Gasturbinen und Mikrogasturbinen verstanden.
Eindeutige Belege für diese Behauptungen bleibt die Clearingstelle EEG schuldig. So ist beispielsweise nicht ersichtlich, warum Nachverstromungs-ORC-Anlagen mit dem Technologiebonus gefördert werden, Nachverstromungs-Gasturbinen hingegen nicht. Auch darf bezweifelt werden, dass die seitens der Clearingstelle EEG aufgestellten Mutmaßungen über den Willen des historischen Gesetzgebers, die keinen Ausdruck im Gesetz gefunden haben, geeignet sind, eine einschränkende Auslegung des sich nicht auf bestimmte Arten von Gasturbinen beschränkenden Wortlauts zu rechtfertigen.
Landgerichtliche Urteile
Zuletzt haben in den von uns geführten Verfahren drei Landgerichte in vier Urteilen der unverbindlichen und nicht restlos überzeugenden Rechtsauffassung der Clearingstelle eine Absage erteilt und den Anlagenbetreiben den Bonus für den in den Abgasturbinen erzeugten Strom zugesprochen.
Die den Bonus zusprechenden Gerichte begründen ihre Entscheidung demgegenüber damit, dass nach technischem Begriffsverständnis durchaus auch mit dem Abgas aus Blockheizkraftwerken betriebene Gasturbinen vom Wortlaut umfasst sind. Für den Bonusanspruch spreche der objektivierte Wille des Gesetzes und der Sinn und Zweck der Vorschrift. Mit der Abgasturbine könne eine Erhöhung des Wirkungsgrads erzielt und mit der gleichen Menge Gas mehr Stroms erzeugt werden. Eben solche innovativen Entwicklungen habe der Gesetzgeber ins Auge gefasst, als er den Technologiebonus geschaffen habe.
Da derzeit mehrere Berufungsverfahren anhängig sind, bleibt nun abzuwarten, wie sich die verschiedenen Oberlandesgerichte (OLG Hamm, Brandenburgisches OLG, OLG Oldenburg, OLG Schleswig) positionieren werden. Das Schleswig-Holsteinische OLG zumindest hatte noch Anfang 2016 keinen Zweifel daran gelassen, dass der Strom aus Abgasturbinen - anders als der Strom aus dem BHKW selbst - mit dem Technologiebonus zu fördern ist (Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 26. Januar 2016, S. 3f.).