Speicher auf dem PRL-Markt – BNetzA bestätigt Mindestaktivierungszeitraum von 15 Minuten

09.05.2019 Speicher auf dem PRL-Markt – BNetzA bestätigt Mindestaktivierungszeitraum von 15 Minuten

In der Speicherbranche geht es Schlag auf Schlag. Nach der Rückgängigmachung der Änderungen zu Netzentgelten auf Power-to-Gas – wir berichteten hier – konnte unmittelbar der nächste große Erfolg verzeichnet werden.

So hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur am 2. Mai 2019 einen Antrag der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) vom 14. September 2017 auf Festlegung eines Mindestaktivierungszeitraums von 30 Minuten im Rahmen der Präqualifikation von Speichern zur Teilnahme am Primärregelleistungsmarkt (PRL)-Markt abgelehnt (Aktenzeichen BK6-17-234, ab dem 10. Mai 2019 abrufbar hier). Ohne Wenn und Aber gilt somit nun ein Mindesterbringungszeitraum von 15 Minuten.

Betreiber von PRL-Speichern prüfen nun Anträge auf eine Neu-Präqualifikation und Schadensersatzansprüche.

Hintergrund: Speicher werden von den ÜNB in Deutschland anders behandelt als in anderen Ländern

Für die Teilnahme am Markt für Primärregelenergie ist stets eine sogenannte Präqualifikation erforderlich. In dem jeweiligen Präqualifikationsverfahren müssen Teilnehmer unter anderem nachweisen, dass sie die erforderlichen technischen Fähigkeiten aufweisen, um im Fall einer Aktivierung die angebotene Regelleistung erbringen zu können. Im Fall der Präqualifikation der auf dem PRL-Markt im Vordringen befindlichen Batteriespeichern wird insoweit seit Jahren darüber gestritten, welchen Mindestaktivierungszeitraum ein Speicher im Rahmen dieses Verfahrens abdecken können muss.

Während in vielen Ländern seit jeher 15 Minuten für ausreichend erachtet wurden, forderten die deutschen ÜNB bislang einen Mindestaktivierungszeitraum von 30 Minuten. Niedergelegt wurde dieser letztlich in einem gemeinsamen Papier der Übertragungsnetzbetreiber mit dem Titel „Anforderungen an die Speicherkapazität bei Batterien für die Primärregelleistung“ vom 29. September 2015. Wenngleich die Anforderungen seitens Speicherbetreibern als ungerechtfertigt und diskriminierend deutlich kritisiert wurden, hielten die ÜNB fortlaufend daran fest. Das Papier steht auch nach wie vor auf der Website www.regelleistung.net zum Download bereit.

Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2017/1485 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb (im Folgenden: „SO GL“ (für „System Operation Guideline“) am 14. September 2017 kam dann endlich Bewegung in das Thema. Artikel 156 Absatz 9 SO GL sieht insoweit vor, dass grundsätzlich in ganz Europa für Speicher ein Mindestaktivierungszeitraum von 15 Minuten gilt. Ausnahmen hiervon sieht die SO GL nur dann vor, wenn entweder im Wege einer Kosten-Nutzen-Analyse gemäß den Absätzen 10 und 11 des Artikel 156 SO GL ein anderer Mindestaktivierungszeitraum ermittelt worden ist oder wenn die jeweilige Regulierungsbehörde auf den Antrag eines oder mehrerer ÜNB hin einen längeren Zeitraum als 15 Minuten festgelegt hat.

Der Verlauf des Verfahrens: Was lange währt…

Einen entsprechenden Ausnahmeantrag reichten die vier ÜNB dann unmittelbar mit Inkrafttreten der SO GL am 14. September 2017 ein. In dem Antrag forderten sie eine Festlegung eines Mindestaktivierungszeitraums für Speicher von 30 Minuten. Zur Begründung führten die ÜNB insbesondere an, dass die größere Dimensionierung erforderlich sei, um die Sicherheit des Netzes auch in Ausnahmefällen zu gewährleisten, insbesondere bei technischen Großstörungen sowie einer Verkettung mehrerer Störfälle. Zudem müsse einkalkuliert werden, dass Kommunikationssysteme ausfallen oder die nachgelagerten Regelenergiesysteme (Sekundärregelleistung – SRL, Minutenreserve – MRL) zur Ablösung der PRL versagen.

Neben dem BVES, der sich in verschiedenen Arbeits- und Fachgruppen intensiv mit dem Thema befasste (siehe hier die Pressemitteilung des BVES zum Abschluss des Verfahrens) nahmen eine Reihe weiterer Unternehmen und Verbände zu dem Antrag Stellung. Mehrheitlich sprachen sie sich für eine Ablehnung des Antrags aus. Diese Position nahmen auch zwei Unternehmen ein, die sich im Wege einer Beiladung an dem Verfahren beteiligten, um gegebenenfalls auch gegen die Entscheidung der BNetzA Beschwerde einlegen zu können.

Die mit der Sache betraute Beschlusskammer 6 der BNetzA befasste sich intensiv mit den verschiedenen Positionen und richtete schließlich zur weiteren Aufklärung der Hintergründe des Antrags einen umfassenden Katalog mit Nachfragen an die ÜNB. Dieser Vorgang zog sich einen längeren Zeitraum hin, so dass das Verfahren letztlich über eineinhalb Jahre dauerte.

Wie nun der ergangene Beschluss der BNetzA zeigt, waren die Antworten der ÜNB nicht geeignet, die BNetzA zu überzeugen. Die Bundesnetzagentur erteilte dem Antrag der Übertragungsnetzbetreiber eine klare Absage.

Die Begründung: Antrag von A bis Z abgelehnt.

In den Entscheidungsgründen des insgesamt 35-seitigen Beschlusses legt die Beschlusskammer im Detail dar, dass die Übertragungsnetzbetreiber nicht nachgewiesen hätten, dass eine Verlängerung des Mindesterbringungszeitraums auf 30 Minuten notwendig ist, um die Betriebssicherheit des Stromnetzes in der gesamten europäischen Union zu gewährleisten. Im Detail ist den Entscheidungsgründen die Meinung der Beschlusskammer über die unzureichende Begründung der Antragsteller anzumerken. Mehrfach wird dort aufgezeigt, dass die ÜNB auch auf die detaillierten Nachfragen der BNetzA hin keine gehaltvollen Argumente für ihren Antrag geliefert hätten.

Angesichts der Tatsache, dass nach Auffassung der BNetzA ein Mindesterbringungszeitraum von 30 Minuten in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter im Vergleich zu Anbietern in Nachbarländern mit einem Mindesterbringungszeitraum von 15 Minuten beeinträchtigten und diese damit diskriminierten, seien hohe Anforderungen an den Nachweis der technischen Notwendigkeit der Verlängerung auf 30 Minuten zu stellen. Diesen Anforderungen seien die ÜNB nicht gerecht geworden.

Die Antragsteller hätten zudem keine Nachweise dafür geliefert, dass ein Versagen nachgelagerter Regelenergiearten (Sekundärregelleistung und Minutenreserve) wahrscheinlich sei. Ferner seien eine Störung oder gar ein Ausfall nachgelagerter Regelenergiearten im Hinblick auf die Frage des Mindesterbringungszeitraums im Rahmen der Primärregelleistung auch ohne Bedeutung.

Schließlich könnten auch die zur Antragsbegründung angeführten Großereignisse in den Jahren 2003, 2006 und 2017 zur Überzeugung der Bundesnetzagentur nicht herangezogen werden, um eine höhere Dimensionierung von Speichern zu rechtfertigen. Die Übertragungsnetzbetreiber seien auch hier jeglichen detaillierten Nachweis schuldig geblieben, dass eine andere Dimensionierung von Speichern in derartigen Großereignissen einen Unterschied machen würde.

Die Folgen: 15 Minuten gelten auch in Deutschland. Jetzt wirklich. Kosten-Nutzen-Analyse steht aber noch aus.

Über Jahre hinweg wurde das 30-Minuten-Kriterium der ÜNB als ungerechtfertigte Diskriminierung von Speicherbetreibern angeprangert. Diese Auseinandersetzung findet nun einen vorläufigen Abschluss in einem Beschluss der BNetzA, der an Deutlichkeit nicht zu überbieten ist.

Mit Ausnahme seiner Dauer ist das Verfahren daher auch aus Sicht der Betreiber von PRL-Speichern uneingeschränkt positiv zu bewerten:

  • Zum einen gilt nun ohne Wenn und Aber ein Mindesterbringungszeitraum von 15 Minuten für PRL. Vor diesem Hintergrund ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Antrag auf Neu-Präqualifizierung auf Basis des 15-Minuten-Kriteriums gestellt werden sollte.
  • Zum anderen geht aus dem Beschluss eindeutig hervor, dass die bisherige Praxis der ÜNB, im Rahmen der Präqualifikation von Speichern einen Zeitraum von 30 Minuten anzusetzen, spätestens ab dem Inkrafttreten der SO GL rechtswidrig war. Dementsprechend sind auch Schadensersatzansprüche zu prüfen.

Ein Ende nimmt die Auseinandersetzung um den Mindestaktivierungszeitraum bei Speichern in der PRL damit allerdings noch nicht. Zum einen ist der Beschluss noch nicht rechtskräftig und kann von den ÜNB im Wege der Beschwerde vor dem OLG Düsseldorf angefochten werden. Zum anderen dauert die Kosten-Nutzen-Analyse auf europäischer Ebene derzeit noch an. Dort ist seitens der Speicherbranche nun darauf zu achten, dass alle seitens der Beschlusskammer aufgezeigten Argumente gegen eine Erhöhung des Mindesterbringungszeitraums auf 30 Minuten auch dort Eingang in das Verfahren finden.

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Rechtsanwalt | Partner

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