I. Fördermöglichkeiten von Agri-PV
Agri-Photovoltaik. Das bezeichnet ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion und die PV-Stromproduktion. Agri-PV ermöglicht gleichzeitig fruchtbare Ackerflächen für die Landwirtschaft zu erhalten und erneuerbaren Strom zu gewinnen – am gleichen Standort. Isoliert betrachtet können aus landwirtschaftlicher Sicht die Landwirte Agrarprämien für ihre Flächen erhalten; aus energierechtlicher Sicht sind staatliche Beihilfen wie die EEG-Förderung möglich. Und kombiniert? Das Europarecht erlaubt dies: PV-Anlagen und Agrarprämien. Und gibt grundsätzlich die Gestaltungsfreiheit an die Mitgliedsstaaten weiter, welche frei über das Verhältnis entscheiden können. Der deutsche Gesetzgeber hatte vor mehr als 5 Jahre eine besondere Idee: PV-Anlagen und Agrarwirtschaft schließen sich aus. Prämienregelungen können nur entweder die Landwirtschaft oder die Nutzung von PV-Anlagen begünstigen. So lautet § 12 Absatz 3 Nummer 6 DirektZahlDurchfV. Und deswegen kann das enorme Potential von Agri-PV in Deutschland nicht genutzt werden. Sie sind wirtschaftlich unattraktiv.
Die gleiche Frage stellt sich allerdings auch bei üblichen Freiflächenphotovoltaikanlagen, deren Projektfläche während der Betriebsphase bspw. für die Tierhaltung genutzt werden soll. Zuletzt wurde die Inanspruchnahme von Agrarprämien mit Verweis auf § 12 Absatz 3 Nummer 6 DirektZahlDurchfV stets abgelehnt.
II. Sachverhalt
Über die Fördermöglichkeiten von Flächen, auf denen Nebeneinander Tierhaltung und PV-Nutzung erfolgten hatten die Richter:Innen des VGH München im Berufungsverfahren zu entscheiden (Bayerischer VGH, Urteil vom 01.06.2021 - 6 BV 19.98). Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs mit Schafhaltung. Auf zwei seiner Weidestücken sind Solarmodule zur Stromerzeugung errichtet. Hierfür wurde ihm eine Agrarprämie nach 2015 nicht mehr gewährt; die zuständige Behörde begründete dies mit soeben genannter Nummer 6 des § 12 Absatz 3 DirektZahlDurchfV. Denn abstrakt handele es sich bei seinen Flächen um Flächen, auf denen sich auch eine Anlage zur Nutzung solarer Strahlungsenergie befindet. Und diese seien nach deutscher Regelung nicht beihilfefähig. Damit wollte sich der Kläger nicht zufrieden geben und klagte vor dem Verwaltungsgericht Regensburg in erster Instanz.
III. DirektzahlDurchfV vs. Verordnung Nr. 1307/2013
Denn rechtlich relevant für die Beihilfefähigkeit von Agrarflächen ist hier nicht nur die DirektZahlDurchfV, sondern auch die Verordnung Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Eine beihilfefähige Fläche ist nach dieser EU-Verordnung jede landwirtschaftliche Fläche, die (hauptsächlich) für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden. Und die Betrachtung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit hat der Europäische Gerichtshof in mehreren Entscheidungen (vgl. EuGH, Urteil vom 02.07.2015 - C-422/13 Wree - juris Rn. 36,39 und Urteil vom 02.07.2015 - C-684/13 Demmer - juris Rd. 56) längst geklärt: relevant ist die tatsächliche Nutzung der Fläche und nicht deren abstrakte Einordnung.
Diese subjektive Charakterisierung der Flächen durch den EuGH gilt auch für die Flächen in Deutschland – trotz der Regelungen der DirektZahlDurchfV -, denn die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 ist unmittelbar bindend. Artikel 32 Absatz 3 Unterabsatz 2 der VO (EU) Nr. 1307/2013 ermächtigt die Mitgliedsstaaten eigene Kriterien zur Umsetzung der Förderung festzulegen. Sie sind befugt explizite Tatbestände zu formulieren, die die Beihilfefähigkeit von Flächen ausschließt. Und dem folgte der deutsche Gesetzgeber mit der DirektZahlDurchfV und ordnete unter § 12 Absatz 3 Nummer 6 jegliche Fläche mit PV-Anlage abstrakt als nicht beihilfefähig ein, unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualität. Obwohl der Europäische Gerichtshof und das europäische Rahmenwerk anderes voraussetzen.
Die Umsetzungsermächtigung verleiht den Mitgliedsstaaten einen Handlungsspielraum, entbindet sie aber nicht von den zwingend geltenden unionsrechtlichen Vorgaben aus der VO (EU) Nr. 1307/2013. Denn unionsrechtliche Verordnungen sind für alle Mitgliedsstaaten unmittelbar bindend und ihrem Zweck darf nicht zuwider gelaufen werden.
Somit kann zusammengefasst werden: die abstrakte Einordnung einer Fläche kann als Indiz für ihre Beihilfefähigkeit genommen werden; maßgeblich ist aber weiterhin die tatsächliche Nutzung, so wie auch der EuGH dies schon entschieden hat.
IV. In erster Instanz beim VG Regensburg
Und so entschied auch das VG Regensburg in erster Instanz zum vorliegenden Sachverhalt und stellte auf die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse der Flächen ab. Die Landwirtschaftlichkeit der Flächen des Klägers wird durch die gleichzeitige Nutzung als Solaranlage nicht nennenswert eingeschränkt. Sie werden weiterhin durch die Schafe sauber abgegrast und als Dauergrünland genutzt. Die sehr seltenen Wartungsarbeiten der PV-Anlage schränken diese Tätigkeiten nur minimal ein. Es liegt weiterhin eine landwirtschaftliche Fläche vor, die beihilfefähig ist. Den pauschalen Ausschluss der Fördermöglichkeit von PV-Anlagen-Flächen wegen § 12 Absatz 3 Nummer 6 DirektZahlDurchfV brachten die Richter:Innen mit dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu Fall.
V. Bestätigt durch den VGH Bayern
Und dies wurde jüngst durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt. Die erst Ende des Jahres erwartete Berufungsentscheidung erging schon am 1. Juni und gewährt dem Kläger die Agrarprämien für die strittigen Flächen; die Richter und Richterinnen orientieren sich hier primär an den Gründen des VG Regensburg. Sie betonen die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Nutzung einer Fläche für dessen Einordnung als beihilfefähig. Sogar unerheblich für die Beihilfefähigkeit ist, dass die Energiegewinnung auf den Flächen den Zweck der landwirtschaftlichen Tätigkeit bei weitem überlagert und, dass durch die ebenso staatliche Förderung des Solarparks eine Doppeltförderung entstehen kann. Relevant sind einzig und allein die landwirtschaftlichen Nutzungsverhältnisse.
Der zu Streit stehende § 12 Absatz 3 Nummer 6 DirektZahlDurchfV muss europarechtskonform ausgelegt werden und ist deswegen nur einschlägig, wenn Agri-PV-Anlagen die landwirtschaftliche Tätigkeit stark einschränken können.
Freie Fahrt also für die Agrarprämien bei Agri-PV und bei Nebeneinander von Landwirtschaft und Freiflächen-PV. Es besteht somit endlich eine Möglichkeit für den Ausbau von landwirtschaftlichen PV-Anlagen. Wollen Sie mehr erfahren? Wenden Sie sich gern an uns.