Im EEG 2017 wurden erstmals Bürgerenergiegesellschaften ausdrücklich erwähnt und definiert. Mit großem Erfolg haben sich die – teils althergebrachten, teils neu gegründeten – Bürgerenergiegesellschaften in den ersten Ausschreibungsrunden des Jahres 2017 durchgesetzt. Die in den Auktionen vorgesehenen Privilegierungen können die Bürgerenergiegesellschaften allerdings nur unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen genießen. Diese im Gesetz formulierten Voraussetzungen sind hierbei bislang von den Gerichten noch nicht weiter inhaltlich konkretisiert worden. Besondere Aufmerksamkeit verdient daher ein Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. September 2018 (Az.: 3 Kart 80/17 (V)). Die Düsseldorfer Richter hatten hierbei über die Beschwerde einer – selber in der zweiten Ausschreibungsrunde des Jahres 2018 nicht zum Zuge gekommenen – Bürgerenergiegesellschaft zu entscheiden.
Unterlegener Bieter greift andere Gebote an – und unterliegt auch vor Gericht
Konkret hatte die Beschwerdeführerin mit ihrer Verpflichtungsbeschwerde die Bezuschlagung des von ihr abgegebenen Gebots begehrt. Das Gebot wurde in der Ausschreibungsrunde selbst nicht bezuschlagt, weil es oberhalb der Zuschlagsgrenze lag. Die Beschwerdeführerin meint, konkurrierende Gebote hätten zu Unrecht Erfolg gehabt, da die bietenden Gesellschaften nicht den Anforderungen an Bürgerenergiegesellschaften des § 3 Nummer 15 EEG 2017 entsprachen. Rein formal gesehen, so der Vorwurf der Beschwerdeführerin, erfüllten die Bürgerenergiegesellschaften zwar die Anforderungen des EEG 2017, faktisch aber liefen die gesetzlichen Voraussetzungen jedoch ins Leere und würden von den Konkurrentinnen umgangen. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, dass bei allen von ihr „angegriffenen Zuschlagsentscheidungen“ jeweils die gleiche Komplementärin an den Bürgerenergiegesellschaften beteiligt ist, hinter welcher wiederum derselbe Projektierer steht.
Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss entschieden, dass die Zuschlagsentscheidungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) rechtmäßig waren. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht über das Vorliegen gleich mehrerer gesetzlicher Merkmale der Bürgerenergiegesellschaften entschieden und diese inhaltlich konkretisiert.
Die Entscheidung der Richter im Einzelnen:
Anspruch auf Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen
Die Düsseldorfer Richter betonten zunächst, dass die um den Zuschlag konkurrierenden Bieter einen Anspruch darauf haben, dass die Regeln des EEG, die den Wettbewerb zwischen den Bietern grundlegend prägen, eingehalten werden. Objektive Voraussetzung für eine Teilnahme am Zuschlagsverfahren als Bürgerenergiegesellschaft sei das Einhalten der in § 3 Nummer 15 EEG 2017 festgelegten Anforderungen. Eine unrichtige Eigenerklärung über das Vorliegen der in § 36g EEG 2017 aufgeführten und wiederum die Anforderungen des § 3 Nummer 15 EEG 2017 in Bezug nehmenden besonderen Voraussetzungen stelle hingegen bereits im Zuschlagsverfahren einen Ausschlussgrund dar, so die Richter.
Anforderungen an eine Bürgerenergiegesellschaft nach § 3 Nummer 15 EEG 2017
Nach § 3 Nummer 15 EEG 2017 ist eine „Bürgerenergiegesellschaft“ eine Gesellschaft,
a) die aus mindestens zehn natürlichen Personen als stimmberechtigten Mitgliedern oder stimmberechtigten Anteilseignern besteht,
b) bei der mindestens 51 Prozent der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die seit mindestens einem Jahr vor der Gebotsabgabe in der kreisfreien Stadt oder dem Landkreis, in der oder dem die geplante Windenergieanlage an Land errichtet werden soll, nach § 21 oder § 22 des Bundesmeldegesetzes mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sind, und
c) bei der kein Mitglied oder Anteilseigner der Gesellschaft mehr als 10 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft hält, wobei es beim Zusammenschluss von mehreren juristischen Personen oder Personengesellschaften zu einer Gesellschaft ausreicht, wenn jedes der Mitglieder der Gesellschaft die Voraussetzungen nach den Buchstaben a) bis c) erfüllt.
Das Gericht hat entschieden, dass die streitgegenständlichen Bürgerenergiegesellschaften trotz der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Bedenken „Bürgerenergiegesellschaften im Sinne des § 3 Nummer 15 EEG 2017“ sind. Etwas Gegenteiliges könne in den geprüften Fällen weder aus dem Gesellschaftsvertrag der Bürgerenergiegesellschaften noch aus der Auslegung der besonderen Ausschreibungsbedingungen gefolgert werden.
Keine Aushöhlung des Stimmrechts - zulässige Ausformung der Geschäftsführung
Die Beschwerdeführerin machte vorliegend geltend, dass die Stimmberechtigung der „jeweils mindestens zehn natürlichen Personen“ als Kommanditisten, die von § 3 Nummer 15 EEG 2017 vorausgesetzt wird, fehle. Dies folge aus dem Gesellschaftsvertrag, der bei allen von ihr „angegriffenen“ Bürgerenergiegesellschaften gleich sei. Dem Gesellschaftsvertrag lässt sich vorliegend entnehmen, dass die Kommanditisten je 100,00 Euro Kapitalanteil eine Stimme haben und eine Übertragung von Stimmrechten ausgeschlossen ist. Die ordentliche Gesellschafterversammlung beschließt unter anderem – einstimmig – die Feststellung des Jahresabschlusses, die Entlastung der Komplementär-GmbH, die Beschlussfassung über die Gewinnverteilung und über Entnahmen, die Feststellung von Wirtschafts-, Finanz- und Investitionsplänen und die Auflösung der Gesellschaft.
Der Gesellschaftsvertrag lasse im vorliegenden Fall jedoch eine „zulässige Ausformung der Geschäftsführung und der Stimmrechte“ erkennen, so das Gericht. Insbesondere liefen die Stimmrechte der Kommanditisten auch nicht faktisch „ins Leere“. Jeder Kommanditist verfüge über ein Stimmrecht und könne sich daher – aufgrund der im Gesellschaftsvertrag vorgeschriebenen Einstimmigkeit der Beschlussfassung – gegebenenfalls gegen Stimmen anderer Kommanditisten durchsetzen. Demgegenüber führe die Befugnis der geschäftsführenden Komplementär-GmbH einer Bürgerenergiegesellschaft, über die Höhe der abzugebenden Gebote zu entscheiden, Kommanditeinlagen zu erhöhen oder Kommanditisten aufzunehmen, nicht zu einer dem Regelungszweck des § 36g EEG 2017 widersprechenden Aushöhlung des Stimmrechts der Gesellschafter.
Dafür, dass der Gesetzgeber die „Stimmberechtigung“ im Sinne der gesetzlichen Regelungen des HGB verstanden haben wollte, fänden sich im weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte. Es könne dahinstehen, so die Richter, ob vorliegend die Regelungen des Gesellschaftsvertrages den handelsrechtlichen Vorschriften über das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander entsprächen. Es stehe den Gesellschaftern frei, hiervon abweichend das Erfordernis von Gesellschafterbeschlüssen zu beschränken, insbesondere auch das Stimmrecht für außergewöhnliche Geschäfte ganz auszuschließen. Dafür, dass der Gesetzgeber die „Stimmberechtigung“ im Sinne der gesetzlichen Regelungen des HGB verstanden haben wollte, finde sich keine Stütze im Gesetz oder in der Gesetzesbegründung des EEG 2017.
Nach der Auslegung der Richter kommt es bezüglich Sinn und Zweck der Regelungen des § 3 Nummer 15 EEG 2017 und des § 36 EEG 2017 vor allem darauf an, dass sichergestellt bleibt, dass die Wertschöpfung aus den Projekten in der Region verbleibt. Maßgeblich sei die „lokale Verankerung der Bürgerenergiegesellschaften und die dadurch bedingte erhöhte Akzeptanz der Windenergieanlagen“. Gerade diese lokale Verankerung werde aber durch die gesetzlich normierten Voraussetzungen bereits ausreichend sichergestellt. Weitere, darüber hinausgehende Vorgaben bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge, insbesondere im Hinblick auf Entscheidungsbefugnisse, ergeben sich aus der allgemeinen gesetzgeberischen Vorgabe der lokalen Verankerung nicht, so das Gericht.
Bloße Kenntnis ist noch keine verbotene Absprache
Auch eine unzulässige Absprache über Gebotswerte, die nach § 34 Nummer 1 b) EEG 2017 einen fakultativen Ausschlussgrund für die Gebote eines Bieters darstellt, liege nicht vor. Aus dem Umstand, dass die Bürgerenergiegesellschaften über ein und dieselbe Komplementär-GmbH verfügen, kann nach Ansicht des Gerichts nicht auf das Vorliegen einer rechtswidrigen Absprache über die Gebotswerte geschlossen werden. Zwar mag bei den geschäftsführenden Organen eine positive Kenntnis der Gebotswerte der jeweils anderen Bürgerenergiegesellschaften anzunehmen sein. Die bloße Kenntnis der anderen Gebotswerte reiche für die Annahme einer Absprache jedoch nicht aus, so das Gericht.
Vielmehr müsse über diese bloße Kenntnis hinaus eine Abstimmung stattgefunden haben und die Gebote beeinflusst worden sein mit dem Ziel, Zuschlagschancen zu erhöhen. Zum Sinn und Zweck der Regelung über den Ausschluss von Bietern und deren Geboten im EEG entschied das Gericht, dass diese Regelungen nicht „wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen im Sinne des § 124 Absatz 1 Nummer 4 GWB“ und der „wettbewerbsbeschränkenden Absprache“ in den besonderen vergaberechtlichen Tatbeständen nachgezeichnet sei.
Zu Recht kommen die Richter daher zu dem Schluss, dass die strengen Grundsätze des Geheimwettbewerbs aus dem Vergaberecht nicht auf das EEG übertragen werden können: So ist der Wettbewerb unter den Bietern im Ausschreibungsverfahren nach dem EEG ein Massenverfahren mit einer Vielzahl von Bietern, an dem jeder Anlagenbetreiber zwingend teilzunehmen hat und in dem eine Vielzahl von Bietern einen Zuschlag erhalten. Die Kenntnis anderer Gebote oder die Abgabe mehrerer Gebote durch professionelle Bieter wolle das EEG gar nicht verhindern. Vielmehr sei dieser Umstand sogar ausdrücklich im Gesetz vorgesehen, wie ein Blick auf § 30 Absatz 3 EEG 2017 zeige, so die Düsseldorfer Richter.
Wirtschaftliches Risiko nicht entscheidend
Schließlich meinte die Beschwerdeführerin, es fehle den Bürgerenergiegesellschaften an einer Identität von Bietern und Anlagenbetreibern. Da die Bürgerenergiegesellschaften an sich kein Unternehmensrisiko trügen, sondern nach den Gesellschaftsverträgen nur ein nicht stimmberechtigter, stiller Gesellschafter, seien sie nicht Anlagenbetreiber im Sinne des § 3 Nummer 2 EEG 2017, auf den es für die Anspruchsberechtigung im Sinne des § 22 Absatz 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Absatz 1 EEG 2017 gerade ankomme.
Das Gericht stellte diesbezüglich fest, dass für das Vorliegen einer Bürgerenergiegesellschaft nicht entscheidend sei, wie das wirtschaftliche Risiko im Innenverhältnis der Gesellschaft ausgestaltet ist. Das soll selbst für den Fall gelten, dass das wirtschaftliche Risiko der Kommanditisten gegenüber einem stillen Gesellschafter aufgrund dessen Beteiligungshöhe gänzlich zu vernachlässigen ist, und daher allein dem stillen Gesellschafter das wirtschaftliche Risiko zuzuordnen ist. Es sei vielmehr eine Gesamtbetrachtung der tatsächlichen und wirtschaftlichen Kriterien vorzunehmen, insbesondere sei die Verteilung der Stimmrechte gegenüber dem Tragen des wirtschaftlichen Risikos das ausschlaggebende Kriterium.
Bewertung und Bedeutung für die Praxis
Bürgerenergiegesellschaften haben mit großem Erfolg an den bisherigen Ausschreibungsrunden teilgenommen. Hierbei wurden von unterschiedlicher Seite jedoch oft Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zuschläge laut, insbesondere wenn kurzerhand eigens für die Ausschreibungen gegründete Bürgerenergiegesellschaften die Zuschläge erhielten und diese Bürgerenergiegesellschaften mit namhaften Projektierern in Verbindung gebracht wurden. Die geäußerte Kritik lautete dann vielmals, es handele sich gar nicht um „echte“ Bürgerenergiegesellschaften im ursprünglichen Sinne, da die Gesellschaften dem Konzept der Energiewende in Bürgerhand zuwiderliefen.
Diese Beurteilung mag in einzelnen Fällen politisch ihre Berechtigung haben, kann jedoch – wie nun auch das OLG Düsseldorf klarstellte – auf die rechtliche Bewertung der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an Bürgerenergiegesellschaften keinen Einfluss haben. Vielmehr sind keine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehenden Anforderungen an Bürgerenergiegesellschaften zu stellen. Solange und soweit die Bieter die formalen Anforderungen des EEG 2017 an Bürgerenergiegesellschaften einhalten, sind die Bieter auch als solche zu behandeln und qualifizieren sich für den Genuss der gesetzlich vorgesehenen Privilegien. Hierüber hinaus stellt das Gesetz an die Bürgerenergiegesellschaften gerade keine weiteren Anforderungen. Solche dürfen dann auch nicht etwa (über den Sinn und Zweck der Norm hinaus) „konstruiert“ werden.
Die Entscheidung des OLG stellt – soweit ersichtlich – die erste gerichtliche Entscheidung zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen von Bürgerenergiegesellschaften bei Ausschreibungen nach dem EEG 2017 dar, die die gesetzlichen Vorgaben inhaltlich konkretisiert. Die weiteren Entwicklungen der Rechtsprechung bleiben abzuwarten.