Am 6. März 2013 hat der dritte Kartellsenat des OLG Düsseldorf in insgesamt fünf gleichgelagerten Beschwerdeverfahren entschieden, dass § 19 Absatz 2 Satz 2 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV), nichtig ist und die hierzu erfolgten Festlegungen der Bundesnetzagentur aufgehoben (Az.: VI-3 Kart 14/12 [V], VI-3 Kart 65/12 [V], VI-3 Kart 49/12 [V], VI-3 Kart 43/12 [V], VI-3 Kart 57/12 [V]).
In dem Verfahren hatten sich fünf Netzbetreiber gegen die Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzentgelten gewandt. Gemäß der am 4. August 2011 in Kraft getretenen Änderung des § 19 Absatz 2 Satz 2 StromNEV sollte jedes Unternehmen von den Netzentgelten befreit sein, dessen Verbrauch an einer Abnahmestelle die Benutzungsstundenzahl von 7.000 Stunden und einen Verbrauch von 10 GWh übersteigt.
Das OLG Düsseldorf hat die Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzentgelten nun für nichtig erklärt. Die Regelung sei unvereinbar mit höherrangigem Recht. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des StromNEV, § 24 Absatz 1 Nummer 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), erlaube dem Verordnungsgeber lediglich, festzulegen, wie die Netzentgelte berechnet werden. Mit einer Regelung in der StromNEV, die eine gänzliche Befreiung von den Netzentgelten vorsieht und so die Frage regelt, ob überhaupt eine Pflicht zur Zahlung der Entgelte besteht, überschreite der Verordnungsgeber hingegen seine Kompetenzen. Aufgrund von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren sei § 19 Absatz 2 Satz 2 StromNEV zudem bereits aus formellen Gründen nichtig. Zuletzt stünden der vollständigen Befreiung einzelner von den Netzentgelten das Gleichheitsgebot und aus europarechtlicher Sicht die Pflicht zu einer kostenbezogenen und nichtdiskriminierenden Regelung der Verteilung der Netzentgelte entgegen.
Noch sind die Entscheidungen allerdings nicht rechtskräftig, da Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt werden kann.
Ebenfalls am 6. März 2013 hat jedoch die EU-Kommission ein Beihilfeverfahren zu § 19 Absatz 2 StromNEV eingeleitet. Gegenstand der Prüfung wird sein, ob es sich bei der Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzentgelten um eine europarechtswidrige Beihilfe im Sinne des Artikel 107 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) handelt. Die entsprechende Pressemitteilung der EU-Kommission finden Sie hier.
Bereits am 7. März 2013 hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) einen Entwurf zur Neuregelung der Strom- und Gasnetzentgeltverordnung vorgelegt. Dieser sieht unter anderem vor, für stromintensive Verbraucher ein von Verbrauch und Benutzungsstundenzahl abhängiges gestaffeltes Netzentgelt einzuführen und so eine angemessene Beteiligung auch dieser Netznutzer an den Gesamtkosten herbeizuführen. Ein Hintergrundpapier des BMWi zur vorgesehenen Novelle der Strom- und Gasnetzentgeltverordnung finden Sie hier.
Fazit:
Nicht nur die EEG-Umlage beschäftigt die Politik und die Gerichte, auch in Bezug auf Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzentgelten wird diskutiert, wer die Kosten der Energiewende zu schultern hat. Während die Entscheidung des OLG Düsseldorf für die betroffenen Unternehmen erhebliche finanzielle Einbußen mit sich bringt, dürfen sich alle weiteren Netznutzer, Endkunden und Unternehmen gleichermaßen, freuen. Die Befreiung von den Netzentgelten, insgesamt geschätzt 300 Millionen Euro im Jahr 2012, wurden über entsprechend höhere Netzentgelte für die übrigen Netznutzer finanziert.