Neben der erfreulichen Klarstellung im Hinblick auf die erforderliche Abfolge von bauplanungsrechtlichem Verfahren und der EEG-rechtlichen Inbetriebnahme (sehen Sie hierzu unsere Meldung hier) enthält das Mieterstromgesetz noch eine weitere Änderung, die für viele Freiflächenanlagenprojekte die Rechtsunsicherheit künftig eher erhöhen dürfte:
Die Sache mit der Anlagenzusammenfassung…
Diese Änderung betrifft die Regelungen zur Anlagenzusammenfassung im Rahmen der Ausschreibungen. Insofern gilt für Solaranlagen eine Bagatellgrenze von 750 kW installierter Leistung, bis zu der sie nicht an der Ausschreibung teilnehmen müssen. Und hierfür wiederum ist entscheidend, ob und inwiefern mehrere PV-Module, die jeweils als einzelne Anlage gelten, nach den Regelungen des EEG zu einer „fiktiven“ Gesamt-Anlage zusammenzufassen sind.
Die Anlagenzusammenfassung nach geltender Rechtslage
Für die Frage, ob eine solche Gesamt-Anlage die Bagatell-Grenze von 750 kW überschreitet und daher an der Ausschreibung teilnehmen muss, kommt es nach der geltenden Rechtslage allein auf die Kriterien des § 24 Absatz 1 EEG 2017 an. Hiernach sind mehrere Anlagen für die Frage, ob sie die Bagatellgrenze für die Ausschreibung überschreiten, dann zusammenzufassen,
- wenn sie sich auf demselben Grundstück, demselben Gebäude, dem selben Betriebsgelände oder sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden und
- wenn sie innerhalb von 12 aufeinanderfolgenden Kalendermonaten in Betrieb genommen worden sind.
Die Ausschreibungspflicht greift dabei nur für die zuletzt in Betrieb gesetzten Anlagenteile. Eine bereits bestehende 750-kW-Anlage wird also nicht etwa dadurch in die Ausschreibungspflicht „mitgerissen“, dass später weitere Anlagen hinzugebaut werden.
Nach dieser Regelung war für Ermittlung der Ausschreibungspflicht also bislang entscheidend, ob in den 12 Monaten vor Inbetriebnahme in unmittelbarer räumlicher Nähe bereits eine andere Anlage in Betrieb genommen worden war. Allerdings stellten sich schon hier einige spezielle Anwendungsfragen, insbesondere im Zusammenhang mit Anlagen auf sonstigen baulichen Anlagen (sehen Sie hierzu etwa unseren Beitrag in unserem Sondernewsletter zum EEG 2017, siehe dort Seite 17 f.).
Die Gesetzesänderung
Nunmehr hat der Gesetzgeber im Zuge des sogenannten Mieterstromgesetzes das EEG jedoch dahingehend geändert, dass für die Frage nach einer Anlagenzusammenfassung für die 750 kW-Grenze zusätzlich auch die Sonderregelung für Freiflächenanlagen in § 24 Absatz 2 EEG 2017 zur Anwendung kommt, die bislang nur für die 10-MW-Grenze bei der Förderung galt. Hiernach erfolgt eine Zusammenfassung schon dann, wenn die Anlagen
- innerhalb derselben Gemeinde, die für den Erlass eines Bebauungsplans zuständig ist oder gewesen wäre, errichtet worden sind und
- innerhalb von 24 aufeinanderfolgenden Kalendermonaten
- in einem Abstand von bis zu 2 Kilometern Luftlinie, gemessen vom äußeren Rand der jeweiligen Anlage,
in Betrieb genommen worden sind.
Die Folgen für die Praxis
Die Anwendbarkeit dieser Regelung auch für die Anlagenzusammenfassung im Rahmen der Bagatellgrenze für Ausschreibungen zieht eine Reihe von Auslegungsfragen und insbesondere auch erhebliche Risiken für die Praxis nach sich, insbesondere wenn in einer Gemeinde innerhalb des 2-km-Radius mehrere unterschiedlich große Freiflächenanlagen gleichzeitig projektiert werden. Denn die Neuregelung sieht hier letztlich ein strenges „Windhundprinzip“ vor: Wer zuerst kommt (bzw. in Betrieb nimmt), mahlt zuerst. Mehr noch, der glückliche Erste kann je nach Situation vor Ort sogar den gemeindlichen 2-km-Radius um seine Anlage für nachfolgende Inbetriebnahmen von Bagatell-Anlagen de facto „sperren“, wenn seine Anlage die 750-kW-Grenze annähernd ausschöpft. Denn egal, wie groß bzw. klein die im Folgenden in Betrieb genommenen Anlagen sind, wären sie stets mit der ersten in Betrieb genommenen Anlage zusammenzufassen. Sofern diese „fiktive Gesamtanlage“ insgesamt die 750-kW-Grenze überschreitet, könnte die neue Anlage dann – ohne Zuschlag aus einer Ausschreibungsrunde – aber nicht mehr förderfähig in Betrieb genommen werden. Erst nach Ablauf des 24-Monats-Zeitraums gilt dann wieder: neues Spiel, neues Glück.
Unser Fazit
Wie man es dreht und wendet: Die eigentlich für die 10-MW-Fördergrenze konzipierte Zusammenfassungsregelung nach § 24 Absatz 2 EEG 2017 passt nicht recht zu der Bagatellgrenze für die Ausschreibungen und wird absehbar in der Praxis zu einer Vielzahl von Anwendungsfragen führen. Eine kleine zeitliche Erleichterung sieht die Gesetzesänderung allerdings insoweit vor, als dass die neue Zusammenfassungsregelung erst für Anlagen gilt, die ab dem 1. Juli 2018 in Betrieb genommen werden. Bis dahin verbleibt es für die Anlagenzusammenfassung allein bei der Regelung des § 24 Absatz 1 EEG 2017.
Im Ergebnis bleibt es aber dabei: Vielfach dürfte es in Zukunft auf die richtige Reihenfolge der Inbetriebnahme verschiedener Solaranlagen ankommen, wenn zumindest für einen Teil der jeweiligen Anlage eine reguläre Förderung ohne vorherige Teilnahme an einer Ausschreibung in Anspruch genommen werden soll. Auch die Abgrenzung zwischen Freiflächen und sonstigen baulichen Anlagen könnte künftig über den „Umweg“ der Zusammenfassungsregeln wieder eine größere Rolle als bislang spielen.
Anlagenbetreiber tun in jedem Fall gut daran, im Rahmen der Planung und Realisierung von Freiflächenanlagen die Regelungen zur Anlagenzusammenfassung stets gut im Blick zu behalten. Denn wenn eine Anlage erst einmal in Betrieb genommen wurde und sich dann herausstellt, dass sie aufgrund einer Anlagenzusammenfassung eigentlich die Pflicht zu einer Ausschreibungsteilnahme bestanden hätte, ist eine nachträgliche Teilnahme an einer Ausschreibung nicht mehr möglich. Die Anlage hat dann dauerhaft keinen Förderanspruch – und dies gilt es natürlich zu vermeiden!