Let the Rollout begin – Das Messstellenbetriebsgesetz ist da!

14.09.2016 Let the Rollout begin – Das Messstellenbetriebsgesetz ist da!

Nach langem Ringen wurde am 23. Juni 2016 das die intelligente Netzwende einläutende Digitalisierungsgesetz vom Bundestag verabschiedet und am 8. Juli 2016 noch unmittelbar vor der Sommerpause vom Bundesrat bestätigt (wir berichteten). Damit konnte das – das Herzstück des Digitalisierungsgesetzes bildende – neue Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) am 2. September 2016 in Kraft treten. Zu den ersten Entwürfen des Digitalisierungsgesetzes und deren kontroversen Bewertungen hatten wir bereits in unserem ersten Newsletter 2016 berichtet (sehen Sie dort die Seiten 17 bis 18). Nach Inkrafttreten des Gesetzes möchten wir nun die Gelegenheit nutzen, Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Inhalte des Gesetzes zu geben und Sie darüber zu informieren, welche Auswirkungen das MsbG für Netz- und Anlagenbetreiber bereits jetzt hat.

Der steinige Weg zum Messstellenbetriebsgesetz

Von der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (Richtlinie 2009/72/EG) aus dem Jahr 2009, die grundsätzlich und vorbehaltlich einer wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse vorsieht, dass bis 2020 80 Prozent der Verbraucher mit intelligenten Messsystemen ausgestattet sein sollen, bis zur gesetzgeberischen Umsetzung dieser Vorgabe mit dem nun verabschiedeten MsbG war es bekanntlich ein langer Weg. Dazwischen lagen erste Schritte mit der Einführung der Regelungen zu intelligenten Zählern im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), die vieldiskutierte Kosten-Nutzen-Analyse von Ernst & Young (abrufbar hier), der in den Kinderschuhen stecken gebliebene Entwurf einer Messsystemverordnung, ein Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums (in dem noch geplant war, die Digitalisierung der Energiewende in einem Verordnungspaket durch die Exekutive ausgestalten zu lassen, abrufbar hier) und ein hoch kontroverses Gesetzgebungsverfahren.

So hatten im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unter anderem Verbraucherschutzverbände, Prosumergruppen, Anlagenbetreiber und nicht zuletzt der Bundesrat deutliche Kritik an dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung geäußert. Diese Anregungen und Kritikpunkte sowie die immer wieder aufgeworfenen Zweifel an der dem Gesetz zu Grunde liegenden Kosten-Nutzen-Analyse blieben jedoch letztlich weitgehend ungehört. So wurden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens insbesondere keine signifikanten Maßnahmen für mehr Wahlfreiheit für betroffene Verbraucher, Anlagenbetreiber und Mieter ergriffen (sogenannte Opt-in-/Opt-out-Modelle). Auch gab es keine weitergehenden Änderungen mehr im Hinblick auf die vielfach kritisch bewerteten neuen Vorgaben zu geänderten Marktrollen, Datenzuständigkeit und Marktkommunikation.

Am Ende dieses steinigen Prozesses stand zwar immerhin – und aus Sicht der betroffenen Praxis: endlich – ein fertiges Gesetz, dass die Rahmenbedingungen des Smart-Meter-Rollouts und die digitale Zukunft der Energiewende näher konturiert. Jedoch hat es sich der Bundesrat nicht nehmen lassen, seine bereits im Verfahren geäußerte Kritik noch einmal deutlich zum Ausdruck zu bringen: Zwar hat sich der Bundesrat zu guter Letzt nicht dazu durchringen können, den Vermittlungsausschuss anzurufen und so weiteren Einfluss auf das MsbG zu nehmen. Jedoch äußerte der Bundesrat in seinem entsprechenden Beschluss vom 8. Juli 2016 noch einmal deutlich sein Bedauern darüber, dass der Gesetzgeber die vielfältigen Anregungen aus der Praxis, von zahlreichen Verbänden und den Ländern ganz weitgehend unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BR-Drucksache 349/16 (Beschluss), abrufbar hier).

Das Messstellenbetriebsgesetz – Was steckt drin?

Ohne hier einen umfassenden Überblick über die zahlreichen wichtigen Inhalte des Messstellenbetriebsgesetzes mit seinen immerhin 77 Paragraphen und seine vielfältigen Auswirkungen auf die gesamte Energiewirtschaft geben zu können, sei auf die in der Überschrift gestellte Frage geantwortet: Eine ganze Menge!

Im Kern soll das MsbG die intelligente Netzwende hin zum „Smart Grid“ einläuten, in dem die Erzeugung und der Verbrauch von Energie im regenerativen Gesamtsystem der Zukunft optimiert und gesteuert werden kann. Außerdem sollen intelligente Messsysteme dem Verbraucher die eigenen Verbrauchswerte und -muster transparent machen und ihn so bei der Entwicklung eines effizienteren Verbrauchsverhaltens unterstützen.

Um dieses Ziel zu erreichen, werden im MsbG sämtliche das Messwesen betreffenden Grund- und Detailregelungen umfassend vereint. So regelt das MsbG ganz allgemein die Zuständigkeiten und vertragliche Beziehungen im Messwesen, aber auch die Voraussetzungen, Akteurspflichten und den Ablaufplan der flächendeckenden Einführung intelligenter Zähler (sogenannter Smart-Meter-Rollout). Außerdem enthält das Gesetz bezüglich der erhobenen Zählerdaten umfassende Regelungen zur Marktkommunikation und Datenflüssen, außerdem zu technischen und datenschutzrechtlichen Standards und entsprechenden Kontrollmechanismen.

Smart-Meter-Rollout: Die wichtigsten Regelungen für Anlagenbetreiber und Verbraucher

Der Start des Smart-Meter-Rollouts ist für 2017 vorgesehen und betrifft zunächst insbesondere größere Stromverbraucher und die Betreiber von Erneuerbare-Energien- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. So ist der grundzuständige Messstellenbetreiber (in der Regel der Netzbetreiber) verpflichtet, in einem zeitlich genau vorgegebenen Rahmen bestimmte Betroffene schrittweise mit intelligenten Messsystemen auszustatten. Diese intelligenten Messsysteme zeichnen sich im Wesentlichen durch zwei Dinge gegenüber herkömmlichen Messeinrichtungen aus: eine zeitgenaue Verbrauchserfassung (sog. moderne Messeinrichtung) und eine Kommunikationseinheit (sog. Smart-Meter-Gateway), über die Informationen zur Messung erfasst, verarbeitet und versandt werden können. Um die Kostenbelastung für die Betroffenen im Rahmen zu halten, sieht das MsbG dabei gesetzlich gestaffelte Preisobergrenzen für den Messstellenbetrieb vor.

Weiterhin bleibt es auch nach dem MsbG dabei, dass gewerbliche Drittanbieter von Messdienstleistungen am Markt mitmischen dürfen. Jedoch geht, vereinfacht gesagt, der Smart-Meter-Rollout künftig vor: Die Ausstattungspflicht des grundzuständigen Messstellenbetreibers verdrängt also grundsätzlich die Entscheidung einzelner Betroffener, einen anderen Messstellendienstleister zu beauftragen, sofern dieser nicht selbst den Rollout-Vorgaben gerecht wird. Außerdem enthält das MsbG einen differenzierten Anforderungskatalog an Messstellenbetreiber sowie die im Rahmen des Messstellenbetriebs zu schließenden Verträge.

Von der Smart-Meter-Einbaupflicht durch die Netzbetreiber selbst sind zunächst nur Letztverbraucher mit einem Jahresverbrauch über 10.000 kWh (ab 2017) bzw. 6.000 kWh (ab 2020) sowie ab 2017 Betreiber von KWK- und EE-Anlagen mit einer Größe über 7 kW betroffen. Jedoch können optional auch kleinere Verbraucher und Anlagen mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden. So ist die Leistungsuntergrenze für Betreiber von Kleinstanlagen nicht zwingend 7 kW. Vielmehr können ab 2018 Betreiber von EE- und KWK-Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 1 kW zum Einbau von intelligenten Messsystemen verpflichtet werden. Außerdem können auch Haushalte mit einem geringeren Jahresverbrauch als 6.000 kWh ab 2020 von dem Smart-Meter-Rollout betroffen sein, wenn der Netzbetreiber entscheidet, sie mit intelligenten Messsystemen auszustatten.

Auch gelten Sonderregeln für sogenannte Liegenschaftsmodelle: Ab dem 1. Januar 2021 kann der Anschlussnehmer (Hauseigentümer) unter bestimmten Voraussetzungen entscheiden, die gesamte Liegenschaft mit intelligenten Messsystemen zu modernisieren. Diese Entscheidung gilt dann für sämtliche Anschlussnutzer (Mieter) und verpflichtet diese grundsätzlich dazu, den Einbau von Smart Metern hinzunehmen.

Das MsbG und das EEG – Zahlreiche Unklarheiten und erste Handlungsempfehlungen der Clearingstelle EEG

Aus Sicht des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bringt das MsbG zahlreiche, derzeit noch offene, Fragen mit sich. Denn im EEG finden sich einige spezielle Regelungen im Zusammenhang mit der Messung und den entsprechenden technischen Einrichtungen, bei denen sich nunmehr vielfach die Frage stellt, in welchem genauen Verhältnis sie zu dem im MsbG geregelten Pflichtengefüge zwischen den verschiedenen Marktbeteiligten stehen.

So war etwa bislang im EEG der Grundsatz enthalten, dass der Anlagenbetreiber selbst grundzuständig für die Messung ist und demgemäß auch die diesbezüglichen Kosten trägt. Eine Neuregelung im EEG 2014 sowie im EEG 2017 stellt nunmehr jedoch klar, dass die Regelungen des MsbG „unberührt“ bleiben, was wohl so viel heißt, wie dass die gesetzliche Grundzuständigkeit für die Messung mit dem Inkrafttreten des MsbG auf den Netzbetreiber übergegangen ist. Der Anlagenbetreiber darf zwar grundsätzlich sowohl einen Dritten beauftragen, als auch den Messstellenbetrieb selbst übernehmen, jedoch muss in diesem Fall gewährleistet sein, dass alle gesetzlichen Anforderungen des MsbG an den Messstellenbetrieb und die entsprechenden Verträge von dem Dritten oder gar dem Anlagenbetreiber selbst eingehalten werden. Auch ist zu beachten, dass das Messstellenbetriebsgesetz grundsätzlich nicht mehr vorsieht, dass Messstellenbetrieb und einfachere Messdienstleistungen (z.B. die Erfassung, Aufbereitung und Weitergabe von Zählerdaten) voneinander getrennt erbracht werden.

Zu der Frage, wie mit dieser tiefgreifenden Änderung im Pflichtengefüge zwischen Anlagen- und Netzbetreiber und ggf. auch von den Anlagenbetreibern beauftragten Messstellendienstleistern praktisch umzugehen ist, hat die Clearingstelle EEG am 20. Juli 2016 eine erste Handlungsempfehlung veröffentlicht (abrufbar hier). Im Kern rät die Clearingstelle EEG den Netz- und Anlagenbetreibern, sich proaktiv miteinander über die Weiterführung des Messstellenbetriebs abzustimmen, ohne dass sie hierfür auf Seiten des Netz- oder Anlagenbetreibers eine Rechtspflicht sieht. Die Clearingstelle EEG geht davon aus, dass, sofern keine solche explizite Abstimmung erfolgt, der Messstellenbetrieb weiterhin bei demjenigen verbleibt, der diese Rolle vor Inkrafttreten des MsbG innehatte. Dies gelte aber nur, wenn derjenige (also auch etwa der Anlagenbetreiber oder ein Dritter) tatsächlich den vollständigen Messstellenbetrieb und nicht nur einzelne Messdienstleistungen erbringt und wenn sämtliche Anforderungen des MsbG an den Messstellenbetrieb eingehalten werden. Auf wie viele Fälle diese Voraussetzungen in der Praxis tatsächlich zutreffen und wie es dem Anlagenbetreiber selbst möglich sein soll, diese Voraussetzung zu prüfen, bleibt unklar. Auch die zu erwartenden geänderten Festlegungen der Bundesnetzagentur zu den Einzelheiten der Marktkommunikation könnten hier künftig für weitere Einschränkungen sorgen. Zumindest aber wenn der Netzbetreiber sich ausdrücklich an den Anlagenbetreiber richtet und den Messstellenbetrieb als grundzuständiger Messstellenbetreiber übernehmen will, muss der Anlagenbetreiber sich ausdrücklich positionieren. Er muss in diesem Fall sein Wahlrecht nach dem MsbG ausüben und einen Dritten mit dem Messstellenbetrieb beauftragen oder diesen ausdrücklich selbst übernehmen. Auch dann gelten aber wieder sämtliche Regelungen und Anforderungen des MsbG.

Was erst einmal recht banal nach einem reinen Informationsaustausch zwischen Netz- und Anlagebetreiber klingen mag, zieht wiederum zahlreiche Folgefragen mit sich, die etwa den Einbau von und das Eigentum an den Messeinrichtungen und auch die damit einhergehenden Kostenfolgen und Entscheidungsrechte betreffen. Auch stellen sich verschiedene Fragen zu dem Verhältnis der nach dem MsbG einzubauenden Messsysteme und der nach dem EEG geltenden technischen Ausstattungspflichten (etwa zum Einspeisemanagement oder der Fernsteuerung für den Direktvermarkter). Es bleibt zu hoffen, dass die Marktakteure – ggf. unter Hilfestellung der Clearingstelle EEG – hier schnell zu möglichst pragmatischen wie rechtssicheren Lösungen finden werden. Das letzte Wort in Sachen Messrecht im EEG ist sicherlich noch nicht gesprochen…

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