Konzentrationszonenplanungen in Flächennutzungsplänen sind nicht selten handgreiflich rechtswidrig – und die Planaussagen damit eigentlich unwirksam. Insbesondere, wenn diese Planungen schon älter sind und aktuellen Windparkplanungen im Wege stehen, stellt sich für Windkraftprojektierer insofern immer wieder die Frage, ob gegen diese Planungen etwas unternommen werden kann. Wir haben an anderer Stelle (vgl. unsere News „Konzentrationszonenplanungen in alten Flächennutzungsplänen – Chancen für Windenergieprojekte?“) bereits neue Ansätze für die Überwindung jener überkommener Planungen auf Ebene der Rechtsanwendung diskutiert. Nun kommt aus der Rechtsprechung eine weitere Initiative.
Worum geht es?
Jüngst erfolgte die Veröffentlichung der Urteilsgründe zu je einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Urteil vom 6. Dezember 2017, Az. 7 D 100/15.NE) und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Urteil vom 05.03.2018, Az. 12 KN 144/17). Beide Gerichte hatten sich im Rahmen von Normenkontrollen gegen in Flächennutzungsplänen verfolgte Konzentrationszonenplanungen hinsichtlich der Ansiedlung von Windenergieanlagen zu befassen. Dies ist zunächst einmal nichts Neues und inzwischen für die Verwaltungsgerichte beinahe Tagesgeschäft. So ergehen im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit von Konzentrationszonenplanungen und die Anforderungen an ein zulässiges Plankonzept regelmäßig immer wieder inhaltlich sehr interessante Entscheidungen. Das Besondere der genannten gerichtlichen Entscheidungen ist allerdings, dass eine Befassung des jeweiligen Gerichts mit den Schlussbekanntmachungen der angegriffenen Plandarstellungen erfolgte und hieraus die die Unwirksamkeit der Planungen hergeleitet wurde.
Was ist die „Schlussbekanntmachung“ eines Flächennutzungsplans?
Die Schlussbekanntmachung der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde eines Flächennutzungsplans ist Voraussetzung seiner Wirksamkeit und insoweit gesetzlich vorgeschrieben (§ 6 Absatz 5 BauGB). Die Schlussbekanntmachung muss sich mit den wesentlichen Inhalten der Planung auseinandersetzen und verfolgt die rechtsstaatlich wichtige Funktion der Information der Öffentlichkeit. Der Gesetzgeber sieht die Bekanntmachung als wesentliche Pflicht an, da auch ein Flächennutzungsplan erhebliche Steuerungsfunktionen begründet und Einfluss auf das Grundeigentum des Einzelnen und seine Nutzbarkeit hat. Konzentrationszonenplanungen, die die Rechtswirkungen des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB verfolgen, haben besonders einschneidende rechtliche Folgen, da sie im Außenbereich grundsätzlich privilegiert zulässige Nutzungen bestimmten Bereichen eines Gemeindegebietes zuordnen, das übrige Gemeindegebiet allerdings von dieser Nutzung freihalten sollen. Die wesentliche Bedeutung einer solchen Planung ist also in erster Linie die das gesamte Gemeindegebiet betreffende Ausschlusswirkung. Dieser Umstand muss sich daher in der Schlussbekanntmachung widerspiegeln.
Welche Anforderung hat eine solche Schlussbekanntmachung zu erfüllen?
Bisher gab es nur unbestimmte Hinweise in der Rechtsprechung, dass an die Schlussbekanntmachungen von Flächennutzungsplänen, die Konzentrationszonenplanungen beinhalten, höhere Anforderungen als an sonstige Planinhalte zu stellen sind. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob eine inhaltliche Darstellung des Plan- und Steuerungsbereichs des Flächennutzungsplans Teil der Bekanntmachung werden muss. Zu den Anforderungen an die inhaltliche Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Schlussbekanntmachung bei Konzentrationszonenplanungen haben sich die Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg nun eingelassen. So ist nach deren übereinstimmenden Ansicht erforderlich, dass die Planungsinhalte und ihre Rechtsfolgen, aber auch der relevante Steuerungsbereich, aus der Schlussbekanntmachung hinreichend deutlich werden. Ganz wesentlich sei dabei, dass sich aus der Bekanntmachung ableiten lassen muss, dass die Planung den gesamten Außenbereich betrifft, denn hier greift die Ausschlusswirkung als wesentliche Rechtsfolge.
Fokussiert sich demnach eine Gemeinde bei der Schlussbekanntmachung auf die Positivflächen und hängt der Schlussbekanntmachung Planausschnitte an, die (nur oder im Wesentlichen) die Positivflächen abbilden ohne die Gesamträumlichkeit der Flächennutzungsplanung nachzuvollziehen, sehen die Oberverwaltungsgerichte darin eine maximale Verwirrung der Öffentlichkeit, da die wesentliche Rechtsfolge der Ausschusswirkung so geradezu verschleiert werde. Ob der übliche, aber jedenfalls nicht allgemeinverständliche Begriff der Konzentrationszone hinreichend deutlich machen kann, welche Planungsinhalte zu erwarten sind, könne angesichts eines solchen Fehlers offenbleiben, so die Gerichte.
Welche Folgen haben fehlerhafte Schlussbekanntmachungen?
Erfüllt eine Schlussbekanntmachung nicht die ihr vom Gesetzgeber zugedachte Wirkung, die Öffentlichkeit hinreichend deutlich über die jeweiligen Planinhalte zu informieren, ist diese als fehlerhaft zu werten mit der Folge, dass die Rechtfolge der Wirksamkeit der Planung nicht eintreten kann. Mit anderen Worten, ist die Schlussbekanntmachung einer Flächennutzungsplanung fehlerhaft, kann die entsprechende Flächennutzungsplanung auch keinerlei Rechtswirkungen begründen. Dieser Umstand haftet der Planung auch dauerhaft an, er wird nicht etwa durch die Planerhaltungsvorschriften nach rügefreiem Zeitablauf unbeachtlich (sog. Ewigkeitsfehler).
Fehlerhafte Schlussbekanntmachungen können aufgrund dieser Qualität als Ewigkeitsfehler auch noch Jahrzehnte nach Inkrafttreten einer Planung gerügt werden. Auch alte Flächennutzungsplanungen aus Ende der 1990er Jahre, die das damals neue Instrument des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB umsetzen wollten, sind so grundsätzlich angreifbar. Allerdings steht für ein gerichtliches Überprüfungsverfahren solcher Pläne nicht die Normenkontrolle zur Verfügung, denn die im Verwaltungsprozess geltende Präklusionsfrist für die Normenkontrolle (§ 47 Absatz 2a VwGO) knüpft an die Bekanntmachung der Planung an. Um diese Frist in Gang zu setzen, ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht erforderlich, dass die Bekanntmachung fehlerfrei ist. Vielmehr muss nur der „Bekanntmachungswille“ einer Planung erkennbar sein, da die Öffentlichkeit so ausreichend zur Beschäftigung mit den Planinhalten angehalten werde. Soll eine alte Planung angegriffen werden, steht hierfür somit nur der Weg der sog. Inzidentprüfung offen, es muss also ein Genehmigungs- oder Vorbescheidsantrag gestellt werden und dann gegen eine etwaige Ablehnung vorgegangen werden.
Dann lassen sich alte Flächennutzungspläne so „knacken“?
Die zitierten Entscheidungen können sicher hilfreich sein und bringen zum Ausdruck, dass die formellen Vorgaben einer wirksamen Flächennutzungsplanung nicht von Gemeinden auf die leichte Schulter genommen werden sollten. Vorsicht ist allerdings geboten, vorschnell jede Flächennutzungsplanung als unwirksam anzusehen, deren Schlussbekanntmachung auch nur verdächtig ist. Denn den Entscheidungen der Gerichte lagen Sachverhalte zugrunde, die in Ihrer Form besonders augenfällig waren. Um die Fehlerhaftigkeit der Schlussbekanntmachung einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszonenplanung erfolgreich angreifen zu können, muss geprüft werden, ob die Bekanntmachung wirklich „ausreichend fehlerhaft“ ist. Eine schematische Einordnung kann eben auch nur in plakativen Fallbeispielen gelingen. So kann es auch Gestaltungen geben, in denen die Schlussbekanntmachung trotz nicht sinnvoller Verweise auf Planungsauszüge die gesetzlich verfolgten Ziele erreichen kann. Die rechtliche Qualität einer Schlussbekanntmachung sollte daher stets fundiert geprüft werden.
Ist nun alles geklärt?
Abgesehen von der weiterhin erforderlichen Einzelfallprüfung bleiben weitere Fragen offen, die aber in der Praxis ganz wesentlich sind. Dies betrifft zunächst die Frage, wie Genehmigungsbehörden mit Konzentrationszonenplanungen umzugehen haben, deren Schlussbekanntmachung fehlerhaft erfolgte, insbesondere wenn letzteres als nahezu sicher gelten kann. Nach dem gesetzlichen Wortlaut können jene Planaussagen nie wirksam geworden sein, die Genehmigungsbehörde darf sie demnach auch nicht anwenden. Allerdings hat sie dafür eine eigene, möglicherweise von der betroffenen Gemeinde einer gerichtlichen Prüfung zuführbare Entscheidung, zu treffen. Es liegt nahe, dass hier das bekannte Thema der exekutiven „Verwerfungskompetenz“ diskutiert werden wird, obwohl es darauf eigentlich gar nicht ankommen kann, da nichts „verworfen“ wird, schon gar keine Rechtsnorm, sondern nur die Rechtmäßigkeit einer Bekanntmachung mit den daraus ableitbaren Rechtsfolgen geprüft werden muss.
In der Praxis wird deshalb mitunter wieder die umstrittene Frage aufgeworfen werden: Kann die Genehmigungsbehörde die Planung ohne gerichtliche Feststellung ihrer Unwirksamkeit unangewendet lassen? Und obwohl eigentlich alle Argumente dafür sprechen, dass die Genehmigungsbehörden eine eigene Prüfung durchzuführen haben, um über die Wirksamkeit eines Flächennutzungsplans zu entscheiden , werden sich verschiedene Sachbearbeiter in der Praxis nicht umstimmen lassen, so dass der Weg über die Gerichte in diesen Fällen wohl unausweichlich – wenn auch eigentlich vermeidbar – ist. Den Versuch der „sanften Erziehung“ der Genehmigungsbehörde sollte man allerdings nicht unversucht lassen.
Daneben bestehen weitere offene Fragen. Kann beispielsweise die Auslegungsbekanntmachung (§ 3 Absatz 2 BauGB), wenn sie denn fehlerfrei erfolgte, die spätere Schlussbekanntmachung heilen? Das Oberverwaltungsgericht Münster wirft diese Frage auf und lässt sie offen. Dieser Ansatz ist einerseits durchaus praktisch relevant, denn diese Situation kommt vor. Allerdings sind beide Bekanntmachungen auf unterschiedliche Ziele gerichtet (die Auslegungsbekanntmachung verfolgt eine Anstoßfunktion, die Öffentlichkeit zur Beschäftigung mit den Planinhalten und zur Teilnahme am Planungsverfahren zu bestimmen), so dass eine Heilung der späteren Bekanntmachung durch die frühere jedenfalls als fernliegend angesehen werden muss.
Schließlich könnte vorgebracht werden, dass spätere Anpassungen der fehlerhaft schlussbekanntgemachten Flächennutzungsplanung den einstigen Fehler geheilt hätten. Dieser Ansatz lässt sich tatsächlich hören, denn wenn eine spätere Schlussbekanntmachung die eigentlich relevante Konzentrationszonenplanung in der erforderlichen Deutlichkeit aufgreift, laufen beispielsweise ab diesem Moment auch die relevanten Fristen für die Erhebung von Normenkontrollen und für die Planerhaltung. Allerdings ist dafür erforderlich, dass die Schlussbekanntmachungen der späteren Änderungsplanungen auch die gesetzlich geforderten inhaltlichen Anforderungen erfüllen. Dies dürfte wohl auch nur im Einzelfall vorliegen.
Und nun?
Die Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg sind wichtig, da sie deutlich machen, dass die besonderen Rechtswirkungen von Konzentrationszonenplanung auch besondere Anforderungen bei der Planaufstellung mit sich bringen. Die Deutlichkeit der Entscheidungen ist sehr zu begrüßen. In einigen Fällen sind die Entscheidungen sicher geeignet, den Weg zur erfolgreichen Projektentwicklung um eine Hürde zu vereinfachen. Mit welchem Aufwand das verbunden ist, hängt sicher auch von der zweckmäßigen Prüfung der Planungsgrundlagen und nicht zuletzt von dem Handlungswillen der zuständigen Genehmigungsbehörde ab. Wir unterstützen Sie natürlich gern…