Konzentrationszonenplanungen in alten Flächennutzungsplänen – Chancen für Windenergieprojekte?

27.02.2018 Konzentrationszonenplanungen in alten Flächennutzungsplänen – Chancen für Windenergieprojekte?

Immer wieder stößt die Projektentwicklung im Windenergiebereich auf alte gemeindliche Flächennutzungspläne, die nach heutigen Erkenntnissen der Standortauswahl gut für die Windenergienutzung geeignete Flächen aufgrund einer veralteten Konzentrationszonenplanung für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen ausschließen. Bisher gibt es wenig erfolgversprechende Strategien, diesem Umstand etwas entgegenzusetzen. Ein neues Verständnis der relevanten gesetzlichen Bestimmungen kann das ändern.

Was ist eine Konzentrationszonenplanung?

Bereits im Jahr 1996 ist die Windenergienutzung im Außenbereich im Baugesetzbuch gesetzlich privilegiert worden. Diese bis heute geltende gesetzgeberische Privilegierungsentscheidung bedeutet, dass die Windenergienutzung überall im Außenbereich grundsätzlich zulässig ist und sich gegen andere Nutzungen (tendenziell) durchsetzen soll. In der Folge dieser gesetzgeberischen Privilegierungsentscheidung war die gemeindliche Flächennutzungsplanung (und die Regionalplanung) gefordert, mit Konzentrationszonenplanungen eine Standortsteuerung zu betreiben. Konzentrationszonenplanung bedeutet, eine Gemeinde weist der Windenergienutzung bestimmte gut geeignete Flächen weitgehend exklusiv zu, während das übrige Gemeindegebiet für die Windenergienutzung ausgeschlossen wird. Eine Konzentrationsplanung ändert also die grundsätzliche Privilegierungsregel und weist die Windenergienutzung besonders gut geeigneten Standorten zu, schließt sie aber im Übrigen Plangebiet aus. Aufgrund dieser Ausschlusswirkung sind an die zugrunde liegenden planerischen Entscheidungen hohe Anforderungen zu stellen.

Die Anforderungen an eine rechtskonforme Planung hat das Bundesverwaltungsgericht dann auch, insbesondere in seiner Rechtsprechung ab dem Jahr 2009, konturiert und konkretisiert. Demnach müssen Planungsträger ein schlüssiges Plankonzept verfolgen, aus dem sich ergibt, dass der Windenergienutzung in einem Maße („substantiell“) Platz eingeräumt wurde, das der gesetzgeberischen Privilegierungsentscheidung gerecht wird. Ignorieren Planungsträger diese Vorgaben und verstoßen gegen sie, ist die Planung rechtswidrig und damit unwirksam. Diese planerischen Vorgaben führen dazu, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Konzentrationszonenplanungen angegriffen und wegen relevanter Verstöße von Gerichten aufgehoben wird.

Ob aus diesem Umstand oder andere Gründen, es gibt im Hinblick auf alte Flächennutzungspläne, die über Konzentrationszonenplanungen aus den 1990er oder den frühen 2000er Jahren verfügen, eine Tendenz zu beobachten: Gemeinden halten an diesen fest, obwohl sie relativ offensichtlich rechtwidrig – und damit unmittelbar nichtig – sind und eine Planungsanpassung mehr als überfällig wäre, und sperren somit ganze Gemeindegebiete für die Windenergienutzung.

Wieso sind alte, eigentlich rechtswidrige Flächennutzungspläne überhaupt relevant?

Eigentlich sollte man meinen, dass die Genehmigungsbehörden rechtswidrige und somit nichtige Konzentrationszonenplanungen aus alten Flächennutzungsplänen einem Vorhaben nicht entgegen halten bzw. die Ablehnung eines Genehmigungsantrags hierauf nicht stützen dürften. Das Gegenteil ist aber der Fall. Denn in rechtlicher Hinsicht wird regelmäßig die Rechtsposition eingenommen, Konzentrationsplanungen in Flächennutzungsplänen seien aufgrund der Rechtswirkungen des § 35 Absatz 3 Satz 3 Baugesetzbuch (BauGB) Rechtsnormen gleichgesetzt oder es wird angenommen, dass diese Planungen jedenfalls „rechtsnormgleich“ seien. Genehmigungsbehörden wiederum sei es überhaupt nicht erlaubt, über die Rechtswidrigkeit der Konzentrationsplanung und mithin deren Nichtigkeit zu entscheiden. Die Entscheidung über die Nichtigkeit von Rechtsnormen sei ausschließlich den Gerichten vorbehalten („Verwerfungskompetenz“). Nach dieser verbreiteten Rechtsansicht entfaltet demnach auch an eine rechtswidrige Konzentrationsplanung verbindliche Wirkung für die Genehmigungsbehörden. Für Projektentwicklungen bildet eine solche Einschätzung der zuständigen Genehmigungsbehörde in der Regel das einstweilige Ende. Es bleibt dann nur der Weg zu den Gerichten.

Aber auch hier droht dem Projektentwickler Ungemach: Das Bundesverwaltungsgericht hält zwar die unmittelbare gerichtliche Überprüfbarkeit einer Konzentrationszonenplanung mit einer sogenannten Normenkontrolle für zulässig. Diese kann allerdings nur innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Flächennutzungsplans erhoben werden. Geht man den Weg über die Klage gegen die Genehmigungsbehörde auf Erteilung der Genehmigung, kann dort also zwar grundsätzlich auch eine Überprüfung des Flächennutzungsplans erreicht werden. Allerdings wird – es handelt sich wie gesagt um 20 bis 30 Jahre alte Pläne – in der Regel festgestellt werden, dass die Planung – trotz ihrer Rechtswidrigkeit – wegen sogenannter Planerhaltungsvorgaben, also aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, unangreifbar ist. Kurz gesagt: Die Klage kommt zu spät.

Ist das so richtig?

Nein. Entscheidend ist insofern, ob es sich bei der Konzentrationsplanung tatsächlich um eine unangreifbar gewordene Rechtsnorm handelt und dies ist nach unserer Auffassung nicht der Fall. Vielmehr wird die rechtliche Wirkung der gesetzlichen Vorschrift des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB, aus der eben jener Normcharakter abgeleitet wird, derzeit weitgehend unzutreffend verstanden. Im BauGB wird der Flächennutzungsplan nicht zu einer Rechtsnorm oder einem Normäquivalent aufgewertet. Vielmehr begründet die Vorschrift lediglich dann eine gesetzlich angeordnete tatbestandliche Aufwertung des Flächennutzungsplans, wenn und soweit dieser eine (rechtmäßige und somit wirksame) Konzentrationszonenplanung enthält. Eine rechtswidrige Konzentrationszonenplanung wird hingegen schon nicht auf „Normebene“ aufgewertet und muss daher auch nicht wie eine solche von einem Gericht verworfen werden.

Es gilt bei Anwendung des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB das Gleiche wie bei der Anwendung von § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BauGB: Die Genehmigungsbehörde muss in letzterem Fall über die Vorhabenzulassung einer Windenergieanlage als privilegiertes Vorhaben in nachvollziehender Abwägung mit den Planaussagen des Flächennutzungsplan entscheiden. Durch § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BauGB erhalten im Gegensatz zu § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB die Darstellungen des Flächennutzungsplans lediglich eine geringere Wirkungsintensität: Denn liegt eine rechtmäßige Konzentrationszonenplanung vor, begründet § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB eine abwägungsbestimmende Regel, wonach sich die Flächennutzungsplanung in der Ausschlussfläche immer gegen die Windenergie durchsetzen soll. Im Falle einer rechtswidrigen Planung entfällt allerdings gerade diese abwägungsbestimmende Regel und der Weg für die Vorhabenzulassung ist frei – ganz ohne gerichtliches Verfahren.

Aufgrund dieser Begründung können auch Planerhaltungsvorschriften nicht zur Erhaltung der Rechtsfolge des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB eingreifen. Denn diese gesetzlichen Vorschriften erhalten lediglich (eigentlich) rechtswidrige Planaussagen in ihrem Bestand. Jene Planaussagen können allerdings keine abwägungsbestimmende Kraft mehr entwickeln, denn sie erfüllen materiell nicht mehr den Tatbestand des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB, der gerade eine inhaltlich rechtmäßige Planaussage erfordert.

Was bedeutet das für mein Projekt?

Konzentrationszonenplanungen in alten Flächennutzungsplanungen stehen häufig einem Projekterfolg entgegen. Bisher entspricht unser oben dargestellte Ansatz nicht der etablierten allgemeinen Rechtsauffassung. Aber der Ansatz ist gut geeignet, der Genehmigungsbehörde als schlagkräftiges Argument entgegengehalten zu werden. Bevor man sich zur Projektumsetzung in Diskussionen mit der Gemeinde über eine erforderliche Änderung der Flächennutzungsplanung aufreibt, kann also auch versucht werden, die Genehmigungsbehörde so zu überzeugen. Vielleicht braucht der von uns skizzierte Ansatz auch eine bestätigende gerichtliche Entscheidung. Aber aufgrund der zunehmenden Anzahl der Fälle der für die Windenergienutzung „gesperrten“ Gemeindegebiete braucht es den Anfang eines neuen Verständnisses. Diesen bieten wir gerne an: Projektentwicklern ebenso wie Genehmigungsbehörden und Gerichten.

Die Argumentation kann im Übrigen auch angewendet werden, wenn der immer wieder auftretende Fall vorliegt, dass die übergeordnete Regionalplanung eine Windvorrangfläche ausweist, die Gemeinde aber ihren Flächennutzungsplan nicht entsprechend anpasst. In diesen Fällen muss der Flächennutzungsplan von der Genehmigungsbehörde „überlesen“ werden, da er keine sinnvollen Planaussagen mehr für die Zulassungsentscheidung gem. § 35 BauGB enthält: Der Flächennutzungsplan ist zwingend an die Vorgaben der Regionalplanung anzupassen. Bis zum Vollzug der Anpassung kann der Flächennutzungsplan allerdings keine abwägungsbestimmende Wirkung mehr für eine Genehmigungsbehörde bei einer Vorhabenzulassung entfalten.

Bei Interesse empfehlen wir zur vertieften Darstellung der oben skizzierten rechtlichen Wertung den Aufsatz Bringewat/Hinsch, Wirksamkeit von Konzentrationszonenplanungen in älteren Flächennutzungsplänen, in: ZNER 2017, 476-481.

Ansprechpartner

Dr. Jörn Bringewat
Rechtsanwalt | Partner

E-Mail: Bringewat@vbvh.de
Tel.: 030/8092482-20