Flexibilisierung von Satelliten-BHKW – geht das? Wichtige Klarstellung durch die Clearingstelle

29.10.2019 Flexibilisierung von Satelliten-BHKW – geht das? Wichtige Klarstellung durch die Clearingstelle

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Flexibilisierung von Biogasanlagen sind schon seit geraumer Zeit Gegenstand intensiver Diskussion. Besonders heiß diskutiert wird derzeit die Flexibilisierung von räumlich von der Biogaserzeugung abgesetzten sog. Satelliten-BHKW. Im Sommer dieses Jahres erreichte die Branche ein Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), welches für einige Irritationen sorgte. Nach Auffassung des Gerichts sollten Satelliten-Anlagen grundsätzlich nicht durch Zubau weiterer BHKW erweitert werden können. Eine Entscheidung, die weder im Ergebnis, noch in der Begründung nachvollziehbar ist (wir berichteten hierzu ausführlich). Erfreulicherweise hat sich die Clearingstelle EEG | KWKG (im Folgenden: Clearingstelle) diesem Thema angenommen und in einem jüngst veröffentlichten Schiedsspruch (Clearingstelle, Schiedsspruch vom 17. September 2019, Az. 2019/22, hier abrufbar) klargestellt, dass Satelliten-BHKW – bei Einhaltung bestimmter Anforderungen – sehr wohl flexibilisiert werden können. Eine äußerst wichtige Entscheidung für die Branche. Aber damit nicht genug: Zu guter Letzt hatte die Clearingstelle in diesem Fall auch noch über die Aufteilung und Mitnahme der Höchstbemessungsleistung zu entscheiden. Eine weitere äußerst umstrittene Rechtsfrage.

Der Fall

Ein Anlagenbetreiber betreibt seit dem Jahr 2007 eine Biogasanlage mit ursprünglich zwei BHKW. Im Jahr 2009 wurde die Anlage um ein weiteres BHKW mit einer installierten Leistung von 500 kW erweitert. Die beiden ursprünglichen BHKW werden seitdem lediglich noch als Redundanz-BHKW weiter genutzt. Noch vor dem 1. August 2014 ist die Anlage dann um ein weiteres BHKW mit einer installierten Leistung von 600 kW erweitert worden.

Jetzt plant der Anlagenbetreiber das 500-kW-BHKW aus dem Jahr 2009 an einen neuen Standort in einer Entfernung von ca. 4,5 Kilometern zum Anlagenstandort zu versetzen und dort als eigenständige Anlage weiter zu betreiben (sog. „Satelliten-BHKW“). Zudem sollen an dem neuen Standort zwei weitere BHKW zur Flexibilisierung (Flex-BHKW) in einem Abstand von etwa 5 Metern zum versetzten BHKW errichtet werden.

Alle drei BHKW sollen an eine gemeinsame Gassammelschiene angeschlossen und über eine Mikrogasleitung mit Biogas aus der Biogasanlage versorgt werden. Nach den Planungen sollen die BHKW in einem gemeinsamen BHKW-Gebäude unter Nutzung gemeinsamer Regelungstechnik betrieben und die erzeugte Wärme in ein Nahwärmenetz eingespeist werden.

Für die Clearingstelle stellte sich nunmehr die Frage, ob das versetze BHKW und die Flex-BHKW als eine gemeinsame Anlage im Sinne des EEG zu werten sind oder ob es sich bei den BHKW jeweils um drei getrennte Anlagen handelt. Während allgemein anerkannt ist, dass ein zu einer Biogasanlage hinzugebautes BHKW als Anlagenerweiterung zu werten ist, ist dies bei Satelliten-BHKW weniger eindeutig. Denn hier fehlt die gemeinsame Verbindung der BHWK über einen Fermenter. Die Frage der Anlagenzusammenfassung ist aber von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung:

Handelt es sich bei den Flex-BHKW um die Erweiterung des Satelliten-BHKW, wird der aus den zugebauten BHKW erzeugte und in das Stromnetz eingespeiste Strom genauso vergütet, wie der Strom aus dem versetzten BHKW. Darüber hinaus eröffnet die Anlagenerweiterung die Möglichkeit zur Aufnahme eines strommarktorientierten Anlagenbetriebs und zur Inanspruchnahme der Flexibilitätsprämie. Gilt das hinzugebaute BHKW hingegen als eigenständige Anlage, besteht nach dem EEG nur ein vergleichsweise geringer Vergütungsanspruch nach dem EEG 2017 – und dies auch nur, wenn der Anlagenbetreiber einen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren erhalten hat. Ein wirtschaftlicher Betrieb der neuen BHKW wäre so wohl kaum möglich.

Neben dieser drängenden Frage der Anlagenzusammenfassung nahm die Clearingstelle auch noch dazu Stellung, ob die sog. Höchstbemessungsleistung, d.h. die im Sommer 2014 für jede Biogasanlage festgelegte maximal vergütungsfähige Strommenge pro Kalenderjahr, auf die beiden Standorte (Biogasanlage und neuer Satelliten-Standort) aufgeteilt werden darf. Ein ebenfalls äußerst wichtiges Thema, welches in dieser Entscheidung aber eher am Rande behandelt wurde.

Die Entscheidung

Die Clearingstelle bejahte die EEG-rechtliche Zulässigkeit des vom Anlagenbetreiber geplanten Projekts und entschied, dass das versetzte BHKW und die beiden Flex-BHKW als eine Gesamtanlage im Sinne des EEG zu werten sind. Darüber hinaus nimmt das BHKW einen Teil der Höchstbemessungsleistung im Umfang von 95 Prozent der installierten Leistung des BHKW an den neuen Standort mit.

Anlagenerweiterung durch Zubau von Flex-BHKW

Zur Begründung der Zusammenfassung der BHKW am Satelliten-Standort stützt sich die Clearingstelle auf einen ganzen Strauß von Argumenten, die für das Vorliegen einer Gesamtanlage sprechen:

  • Als erstes stellt die Clearingstelle auf den vom Bundesgerichtshof bestätigten weiten Anlagenbegriff ab, wonach die gemeinsame Nutzung technisch und baulich notwendiger Einrichtungen zu einer Anlagenzusammenfassung führt. Da die BHKW an eine gemeinsame Gassammelschiene angeschlossen sind, seien sie auch als eine Anlage zusammenzufassen.
  • Auch sollen das Satelliten-BHKW und die Flex-BHKW „funktional zusammenwirken“, was nach der Clearingstelle ebenfalls für eine gemeinsame Anlage spricht. So dienen die Flex-BHKW der Flexibilisierung sowohl der Strom-, als auch der Wärmeerzeugung des Satelliten-BHKW und werden unter Nutzung gemeinsamer Regelungstechnik in Abhängigkeit voneinander gefahren.
  • Weiter begründet die Clearingstelle ihre Entscheidung damit, dass ein objektiver Betrachter bei den drei „räumlich unmittelbar nebeneinander“ in einem Gebäude befindlichen BHKW von „eher“ einer Anlage, als von drei Anlagen ausgehen würde.
  • Darüber hinaus führt die Clearingstelle für die Prüfung der Anlagenzusammenfassung erstmals das Kriterium des „vernünftigen Anlagenkonzepts“ – als eine Art Missbrauchskontrolle – ein. Die Clearingstelle sieht keine Anzeichen einer rechtsmissbräuchlichen Vergütungsoptimierung und bescheinigt dem Anlagenbetreiber ein vernünftiges Konzept.
  • Schließlich führt die Clearingstelle als Begründung den Sinn und Zweck der Flexibilitätsprämie an: Der Gesetzgeber wollte mit der Flexibilitätsprämie die bedarfs- und marktorientierte Stromerzeugung in Biogasanlagen anreizen. Dementsprechend entspräche die Flexibilisierung von Satelliten-BHKW auch dem gesetzgeberischen Ziel.

Nach alledem kommt die Clearingstelle zu dem doch recht eindeutigen und überzeugenden Ergebnis, dass die drei BHKW am Satelliten-Standort eine gemeinsamen Anlage im Sinne des EEG bilden.

Mitnahme der Höchstbemessungsleistung

Kaum weniger spannend ist die Frage, ob ein aus einer Anlage herausgelöstes und an einen anderen Standort als eigenständige Anlage weiter betriebenes BHKW einen Teil der Höchstbemessungsleistung mitnimmt. Die Clearingstelle hat zu dieser Frage in der hiesigen Entscheidung erstmals Stellung bezogen und die Aufteilung der Höchstbemessungsleistung im Ergebnis bejaht. Dabei ordnet die Clearingstelle dem versetzten BHKW eine Höchstbemessungsleistung von 475 kW zu. Dies entspricht 95 Prozent der installierten Leistung des 500-kW-BHKW. Am Standort der Biogasanlage verbleiben dementsprechend 570 kW, was wiederum 95 Prozent der am Standort verbleibenden installierten Leistung entspricht. Ein sachgerechtes Ergebnis.

Allerdings begründet die Clearingstelle ihre Entscheidung nicht mittels einer Auslegung der EEG-rechtlichen Bestimmungen zur Höchstbemessungsleistung. Vielmehr behilft sie sich mit einer „Billigkeitsentscheidung“, die sie „in den Grenzen der guten Sitten und öffentlichen Ordnung“, losgelöst vom konkreten Rechtsrahmen getroffen hat. Nach Auffassung der Clearingstelle stößt eine Auslegung der einschlägigen Rechtsnormen bei der Frage nach der Zulässigkeit der Aufteilung und Mitnahme der Höchstbemessungsleistung „an ihre Grenzen“. Kurz: Die Clearingstelle hat davon abgesehen, diese Frage anhand der rechtswissenschaftlichen Methodik zu beantworten.

Bewertung

Die Entscheidung der Clearingstelle ist ein wichtiger Schritt für mehr Rechtssicherheit in der Branche. Nachdem das Landgericht Frankfurt (Oder) entschieden hatte, dass Satelliten-BHKW grundsätzlich nicht mittels des Zubaus weiterer BHKW flexibilisiert werden können, war die Verunsicherung in der Branche groß.

Mit dem vorliegenden Schiedsspruch hat die Clearingstelle – in Abweichung vom LG Frankfurt (Oder) – klargestellt, dass es auf den Einzelfall ankommt und mehrere BHKW an einem Satelliten-Standort sehr wohl durch technische, bauliche sowie auch funktionale Verbindungen zu einer Anlage verklammert werden können. Dabei gibt die Clearingstelle dem Anlagenbetreiber Kriterien an die Hand, unter welchen Voraussetzungen eine solche Verklammerung erzielt werden kann.

Hierfür beruft sich die Clearingstelle auf die bereits durch die Rechtsprechung anerkannte Auslegung zum weiten Anlagenbegriff und stellt zudem auf eine Gesamtbetrachtung des konkreten Anlagenkonzepts ab. Allerdings ist der Schiedsspruch nicht für alle verbindlich und kann auch nicht auf jeden Einzelfall übertragen werden. Es sollte daher für jedes Projekt gesondert geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Anlagenzusammenfassung vorliegen.

Eine weitere bemerkenswerte Entscheidung trifft die Clearingstelle zur Frage der Aufteilung und Mitnahme der Höchstbemessungsleistung. Es ist zunächst erfreulich, dass sich die Clearingstelle erstmals „offiziell“ zu diesem Thema geäußert hat und die Möglichkeit der Aufteilung der Höchstbemessungsleistung für den vorliegenden Fall bejaht hat. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, wenn sich die Clearingstelle bei ihrer Entscheidung nicht allein auf „Billigkeitserwägungen“ beschränkt hätte.

Es ist nicht vollends verständlich, aus welchem Grund sich die von Gesetzes wegen für Auslegungsfragen im EEG zuständige Clearingstelle gezwungen sah, die Entscheidung losgelöst von einer rechtlichen Auslegung im Rahmen eines „freien Ermessens“ zu beantworten. Letztlich muss jedes Gesetz der Auslegung fähig sein. Anderenfalls wäre es „unbestimmt“, verfassungswidrig und damit ein Fall für das Bundesverfassungsgericht.

Nach unserem Dafürhalten lässt sich den einschlägigen Regelungen im EEG aber durchaus entnehmen, dass ein aus einer Biogasanlage herausgelöstes und versetztes BHKW einen Teil der Höchstbemessungsleistung – im Gleichklang mit dem Inbetriebnahmedatum – mitnimmt. Der Wortlaut mag für den speziellen Fall einer „Anlagenaufteilung“ zwar unergiebig sein. Der Sinn und Zweck der Bestimmungen lässt sich jedoch eindeutig bestimmen. Zweck der Regelung ist es, – wie die Clearingstelle im Rahmen ihrer Billigkeitsentscheidung selbst anerkennt – die insgesamt nach den älteren Fassungen des EEG vergütungsfähige Strommenge zu begrenzen. Fragen des Anlagenbegriffs und der Eigenständigkeit sogenannter Satelliten-BHKW sind hingegen weder in § 101 Absatz 1 EEG 2017 noch in der Gesetzesbegründung angesprochen. Es gibt somit auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit § 101 Absatz 1 EEG 2017 die Schaffung neuer Satelliten-Standorte verhindern oder die absolute Höhe der (ohnehin stets von zahlreichen Faktoren, etwa den Einsatzstoffen, der eingesetzten Technologie und der Bemessungsleistung abhängigen) EEG-Vergütung auf den Stand 31. Juli 2014 einfrieren wollte (vgl. hierzu u.a. von Bredow/Rawe, Versetzen, Austausch und Erweiterung von Anlagen im EEG – Praxisfragen bei verschiedenen Energieträgern in ZNER 1/2018, S. 24 ff.; Gordalla in: Greb/Boewe (Hrsg.), Kommentar zum EEG, 8. Aufl. 2019, Rn. 24; von Bredow/Hennig in: Frenz/Müggenborg/Cosack/Hennig/Schomerus (Hrsg.), Kommentar zum EEG, 5. Aufl. 2018, § 101 Rn. 26 ff.).

Wenn aber selbst die Clearingstelle als eine vom Gesetzgeber beauftragte Stelle für Auslegungsfragen im EEG eine Auslegung zur Frage der Aufteilung und Mitnahme der Höchstbemessungsleistung ablehnt, bleibt die Verunsicherung in der Branche groß. Eine abschließende Klärung bleibt damit wohl der juristischen Literatur und den Gerichten vorbehalten.

Ansprechpartner

Dr. Hartwig von Bredow
Rechtsanwalt | Partner

E-Mail: vonBredow@vbvh.de
Tel.: 030/8092482-20