Erkenntnisse für die Windenergie aus dem Jahr 2019

15.01.2020 Erkenntnisse für die Windenergie aus dem Jahr 2019

Im Fokus: Freiwillige Bekanntmachung von Genehmigungsbescheiden und rechtliche Bedeutung der Anordnung von „Ernteabschaltungen“

Das Jahr 2019 war insgesamt (erneut) kein gutes Jahr für die Windenergie. Insbesondere hinsichtlich der genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen für die Windenergie hat sich entweder wenig getan oder Anforderungen haben sich tendenziell zu Lasten der Windenergie verändert und verschärft. Trotz aller Bemühungen (vgl. zum Beispiel den Aktionsplan für mehr Genehmigungen von Windenergieanlagen an Land des BWE) und politischer Versprechen wird die Projektentwicklung im Bereich der Windenergie mehr und mehr zur Geduldsprobe. Mag es auch Lichtblicke geben, beispielsweise im Denkmalschutzrecht (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 6. Juni 2019, 1 A 11532/18; Verhältnis von Windenergie und Denkmalschutz sowie Landschaftsschutz), bleiben die Aussichten für nachhaltige Verbesserungen leider trüb. Wir wollen dennoch eine fokussierte Rückschau in das Jahr 2019 wagen und dabei den Blick auf zwei Themenbereiche der Windenergie richten, die aus unserer Sicht relevante praktische Bedeutung haben und sich weiter entwickeln werden: Die freiwillige öffentliche Bekanntmachung von Genehmigungsbescheiden im vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren und die Bedeutung der sog. „Ernteabschaltungen“.

Die freiwillige öffentliche Bekanntmachung von Genehmigungsbescheiden

Zur Erlangung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen hält das Immissionsschutzrecht zwei verschiedene Verfahrensweisen bereit: Entweder wird ein so genanntes „Vollgenehmigungsverfahren“ mit verpflichtender Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt oder es wird ein so genanntes „vereinfachtes Verfahren“ ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Aus den Regelungen des (Umweltverträglichkeitsprüfungs-)UVP-Rechts oder dem Immissionsschutzrecht kann für ein Projekt bereits folgen, dass dies ohnehin zwingend im Vollgenehmigungsverfahren durchgeführt werden muss. Insbesondere bei kleineren Windparks kann aber die Möglichkeit bestehen, das vereinfachte Verfahren zu wählen, um Chancen auf zeitliche Vorteile zu bekommen.

Das Vollgenehmigungsverfahren beinhaltet auch die zwingende öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung, so dass jedenfalls einen Monat nach erfolgter öffentlicher Bekanntmachung der Genehmigung abschließend feststeht, ob und wenn ja welche Rechtsbehelfsführer gegen die Genehmigung vorgehen wollen.

Auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren ermöglicht § 21a der 9. BImSchV die nunmehr freiwillige öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung. In der juristischen Literatur und der Rechtsprechung wurde jedoch eine vergleichbare Wirkung der freiwilligen öffentlichen Bekanntmachung mit der zwingenden des Vollgenehmigungsverfahrens überwiegend, mit wenigen Ausnahmen, abgelehnt.

Im Jahr 2019 erfolgten nunmehr zwei relevante Entscheidungen von Oberverwaltungsgerichten, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzten (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 08. August 2019, 1 B 439/18 und VGH Mannheim, Beschluss vom 07. März 2019, 10 S 2025/18). Die Bautzener und Mannheimer Senate vertraten hier (erstmalig) die Ansicht, dass auch die freiwillige öffentliche Bekanntmachung der im vereinfachten Genehmigungsverfahren erlangten Genehmigung die Monatsfrist gegenüber allen potentiellen Kläger bzw. Widerspruchsführern auslöst (§ 70 Absatz 1 VwGO), sie in der Wirkung also der zwingenden öffentlichen Bekanntgabe in ihren Rechtswirkungen gleichstehe.

Hintergrund dieser rechtlichen Einordnung ist in beiden Fällen, dass die erkennenden Richter einerseits zwar feststellen, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens die Vorschriften zur zwingenden öffentlichen Bekanntmachung nicht anwendbar seien. Gleichwohl seien allerdings die Regelungen des § 21a der 9. BImSchV, die die freiwillige öffentliche Bekanntmachung zulassen, nicht im Sinne einer abschließenden Regelung zu verstehen. Dies habe zur Folge, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze der einzelnen Bundesländer (ergänzend) Anwendung fänden und somit auch die dortig geregelten Vorschriften über die Bekanntgabe von Verwaltungsakten. Im Grunde habe der Verordnungsgeber in § 21a der 9. BImSchV lediglich rein informativ festgelegt, dass eine öffentliche Bekanntmachung von Genehmigungsentscheidungen im vereinfachten Verfahren möglich sei, ohne dies jedoch an Rechtsfolgen zu knüpfen. Insoweit solle weiterhin das Landesrecht gelten, das insoweit eine für alle geltende Rechtsbehelfsfrist von einem Monat ab öffentlicher Bekanntmachung einer Entscheidung anordnet.

Hinsichtlich der genauen Anforderungen an die Bekanntmachung hat der VGH Mannheim in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass auch die Veröffentlichung auf der Internetseite der Behörde ausreichen kann, wenn in der Folge in Tageszeitungen auf die Bekanntmachung im Internet hingewiesen werde. Zudem sei nicht zwingend erforderlich, auch die Inhalte von mit der Genehmigungsentscheidung verbundene Nebenbestimmungen überschlägig darzustellen, um die Bekanntmachungswirkung und damit das Laufen der so genannten Monatsfrist auszulösen. Hierbei ist einzig darauf hinzuweisen, dass insoweit das relevante Ortsrecht der veröffentlichenden Gebietskörperschaft und ggf. das Kommunalverfassungsrecht des betroffenen Bundeslandes eine Rolle spielt. Die entsprechenden Bekanntmachungsvorschriften aus jenen gesetzlichen Vorgaben sind einzuhalten und können im Einzelfall auch über die im Falle des vom VGH Mannheim bewerteten Sachverhalts bestehenden Voraussetzungen der ordnungsgemäßen Bekanntmachung hinaus gehen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die zitierten obergerichtlichen Entscheidungen darauf hindeuten, dass die Durchführung des vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens wieder mehr Bedeutung erlangt, da der bisherige Nachteil des vereinfachten Genehmigungsverfahrens, dass die Monatsfrist nach Genehmigungsentscheidung eben nicht läuft, durch die freiwillige öffentliche Bekanntmachung wieder aufgefangen werden kann. Wie sich dies in der Rechtsprechung weiter entwickelt, wird zu beobachten sein. Aufgrund der bereits im Jahr 2017 durch europarechtlich indizierten Anpassungsbedarf aus der Rechtswirklichkeit verschwundene Präklusionsvorschriften ist allerdings beim vereinfachten Genehmigungsverfahren weiterhin möglich, dass von Rechtsbehelfsführern Umstände eingebracht werden, die im Genehmigungsverfahren nicht berücksichtigt wurden und somit nachträglichen Heilungsbedarf auslösen können. Daneben besteht weiterhin die Notwendigkeit auf die fehlerfreie Durchführung der UVP-Vorprüfung genau zu achten.

Mahd– und Ernteabschaltungen

Diverse Windenergieerlasse der Bundesländer enthalten Regelungen dazu, dass als artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen insbesondere Abschaltungen von Windenergieanlagen vor und nach bodenwendenden Ereignissen (insbesondere Mahd- und Ernte) stattfinden sollen. Daneben finden sich in einigen Windenergieerlassen der Länder als vorgeschlagene Vermeidungsmaßnahmen Verbote, in einem nahen Umkreis um errichtete Windenergieanlagen Mahd- oder Ernteabfälle oder Erzeugnisse zu lagern oder die Vorgabe zu bestimmten Bewirtschaftungsformen.

Aus artenschutzrechtlicher Sicht sind jene Vermeidungsmaßnahmen generell gut geeignet, das Tötungsrisiko von Großvögeln durch in Betrieb befindliche Windenergieanlagen sinnvoll zu minimieren. Insbesondere Mahd- und Ernteereignisse sowie sonstige bodenwendende Maßnahmen führen dazu, dass Großvögel im Bereich der Bodenbearbeitung ein anziehendes Nahrungshabitat ausmachen, da ein besonders reichhaltiges Jagdangebot geboten wird.

In der Praxis werden demnach entsprechende Nebenbestimmungen mit Genehmigungsbescheiden verbunden. Dafür werden Abschaltvorgaben festgelegt, zu deren Einhaltung Flächenbewirtschafter und Flächeneigentümer um die Standorte der Windenergieanlagen eingebunden werden. Diese sollen Bodenbearbeitungsmaßnahmen an den Windenergieanlagenbetreiber kommunizieren, damit die Abschaltung ordnungsgemäß erfolgen kann. Zudem wird mittunter von der Genehmigungsbehörde verlangt, ein nicht näher differenziertes Vertragswerk vorzulegen, welches die Umsetzung der Abschaltungsvorgaben ermöglicht.

Mögen Stofflagerungsverbote noch vergleichsweise konkret und eindeutig umgesetzt werden, ist die lückenlose Vereinbarung von verschiedenen Aufgaben und Pflichten der Flächenbewirtschafter und Grundstückseigentümer zur Sicherstellung der Abschaltvorgaben gar nicht trivial.

Dies sah auch der Verwaltungsgerichtshof Kassel so. Auf den Rechtsbehelf einer Gemeinde, in deren Gebiet die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen unter Beifügung genannter Nebenbestimmung zugelassen wurde, entschied der zuständige Senat (VGH Kassel, Beschluss vom 14. Mai 2019, 9 B 2016/18) nunmehr, dass die üblicherweise angeordneten Nebenbestimmungen zur Ernteabschaltung nicht in einem ausreichenden Maße ausdifferenziert sind, um aus diesen die generelle Durchführung und Durchführbarkeit der Abschaltung erkennen zu können. Damit kann auch der Zweck jener Nebenbestimmungen, nämlich die Senkung des Tötungsrisikos für betroffene Großvögel unter die so genannte Signifikanzschwelle, nicht erreicht werden. Folge ist, dass der Anlagenbetrieb das artenschutzrechtliche Tötungsverbot verletzt. Das Gericht führte wörtlich aus:

„Trotzdem ist für den Senat nicht ersichtlich, wie sichergestellt werden soll, dass das Konzept zur Durchführung von Vermeidungsmaßnahmen für die WKA einen wirksamen Schutz der Rotmilane gewährleistet, so dass erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Konzepts bestehen. Es ist schon nicht dargelegt, wie Einfluss genommen werden soll auf die Grundstückseigentümer bzw. Landwirte [….], die Luzerne oder alternativ Kleegras anbauen und dies alle 5 Tage streifenweise mähen sollen. Außerdem ist auch nicht plausibel dargelegt, warum die Rotmilane nach Errichtung der WKA auf die bislang genutzten in unmittelbarer Nähe der Anlagen gelegenen und nach wie vor vorhandenen großflächigen Nahrungshabitate verzichten sollten.“

Das alleine wäre bereits keine gute Nachricht. Die Richter gingen aber noch weiter:

„Auch die […] vorgesehenen Maßnahmen, wonach während der Anwesenheit von Rotmilanen in der Zeit vom 01.03. bis 30.09. die WKA ab dem Tag des Beginns der Bewirtschaftung der Flurstücke im Radius von 110 m um den Mastfuß für 3 Tage von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang abzuschalten sind, erscheint dem Senat als wenig praktikabel. Es ist auch für diese Maßnahme nicht schlüssig dargelegt, wie die Umsetzung der Maßnahme sichergestellt werden soll.“

In der Entscheidung fehlen leider weitere Ausführungen dazu, wie denn (positiv) zu verfahren sein soll, um den rechtlichen Anforderungen Genüge zu tun. Nebenbestimmungen müssen allerdings für ihre Rechtmäßigkeit hinreichend bestimmt formuliert sein, ihr Inhalt muss abschließend selbsterklärend sein, da sie im Zweifel auch isoliert vollstreckt werden können müssen. Übliche Formulierungen zu Ernteabschaltungen und Bewirtschaftungsvorgaben können dieser Art Anforderungen meist nicht gerecht werden, da schlicht konkretisierende Inhalte fehlen. Im Grunde bedeuten entsprechend unklar formulierte Nebenbestimmungen ein erhebliches rechtliches Bestandsrisiko für die jeweilige Genehmigung.

Ein möglicher Ansatz, dieses Risiko zu minimieren und auch den Vollzug der Genehmigung zu verbessern, ist mit der zuständigen Naturschutzbehörde während des Genehmigungsverfahrens, aber auch nötigenfalls in nachträglichen Heilungsverfahren, ein Konzept abzustimmen, welches die vom VGH Kassel benannten Vorbehalte auflöst. Zwar erfordert dies eine nicht unerhebliche Abstimmungsarbeit mit allen Beteiligten, die Genehmigung erhält allerdings im Gegenzuge die benötigte Rechtssicherheit. Ebenfalls sinnvoll kann es sein externe, von der Behörde auf Kosten des Vorhabenträgers zu beauftragende Planungsbüros, mit einer näher auszugestaltenden Betriebsbegleitung einzusetzen. Wichtig ist, dass es hierbei nicht um die Funktionskontrolle der Maßnahmen gehen kann (diese liegt in der Überwachungsgewalt der Naturschutzbehörde), sondern um eine reine Umsetzungsbegleitung und -kontrolle. Wie sich dieses Thema insbesondere in der Rechtsprechung weiter entwickeln wird, beobachten wir gerne für Sie.

Haben Sie zu den hier angesprochenen Themenbereich Fragen oder benötigen Sie Unterstützung? Sprechen Sie uns gerne an. Wir sind gerne behilflich bei der Entwicklung projektindividueller Lösungen für bestmögliche Rechtssicherheit.

Ansprechpartner

Dr. Jörn Bringewat
Rechtsanwalt | Partner

E-Mail: Bringewat@vbvh.de
Tel.: 030/8092482-20

Ansprechpartner

Julia Rawe
Rechtsanwältin

E-Mail: Rawe@vbvh.de
Tel.: 030/8092482-20