Ein, Zwei oder Drei…? – Neues Votum der Clearingstelle EEG zur Zusammenfassung von PV-Anlagen

17.07.2017 Ein, Zwei oder Drei…? – Neues Votum der Clearingstelle EEG zur Zusammenfassung von PV-Anlagen

In einem jüngst veröffentlichten Votum (Az. 2015/45, abrufbar hier) beschäftigt sich die Clearingstelle EEG einmal mehr mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Anlagenzusammenfassung nach dem EEG.  Dabei ist besonders spannend, dass die Clearingstelle EEG sich in dem Votum auch intensiv mit dem vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Begriff des "Solarkraftwerks" (sehen Sie hierzu unsere Meldung vom 1. Dezember 2015)auseinandersetzt. Auch die Frage nach einer „Kettenverklammerung“ mehrerer einzelner PV-Anlagen wird in dem Votum behandelt.

Zum Sachverhalt

Dem Votum lag ein Streit zwischen Anlagen- und Netzbetreiber darüber zugrunde, ob die zwei PV-Anlagen des Anlagenbetreibers mit der PV-Anlage eines Dritten für die Ermittlung der installierten Leistung zu einer Anlage im Sinne des § 6 Absatz 3 EEG 2012 zusammenzufassen sind. Wäre dies der Fall, so hätten die Anlagen insgesamt den Leistungsschwellenwert überschritten, nach dem die besonderen technischen Anforderungen des § 6 Absatz 1 EEG 2012 gelten. Hiernach sind Anlagen mit einer installierten Leistung über 100 kW mit technischen Einrichtungen auszustatten, mit denen der Netzbetreiber jederzeit ferngesteuert die Einspeisung reduzieren und die jeweilige Ist-Einspeisung abrufen kann. Da ein Verstoß gegen diese Pflicht im EEG hart sanktioniert wird (Wegfall bzw. weitgehende Reduzierung der EEG-Förderung), kann die Frage nach der Anlagenzusammenfassung in der Praxis also erhebliche Auswirkungen haben.

In dem dem Votum zu Grunde liegenden Fall sind zwei PV-Anlagen (39,76 kWp und 59,62 kWp installierte Leistung) des betroffenen Anlagenbetreibers auf dem Dach eines Gebäudes installiert, das sich über zwei Grundstücke erstreckt. Die beiden Anlagen befinden sich also auf zwei verschiedenen Grundstücken im grundbuchrechtlichen Sinne, obwohl sie auf demselben Gebäude liegen. Auf demselben Grundstück wie ein Teil dieser PV-Installation befindet sich wiederum auf dem Dach eines anderen dortigen Gebäudes die Anlage eines Dritten mit insgesamt 6,4 kWp. Das Gebäude, auf dem die PV-Anlage des Dritten angebracht ist, weist aber keinerlei bauliche Verbindung zu dem Gebäude auf, auf dem die Anlage des Anlagenbetreibers angebracht ist. Alle Anlagen wurden im Jahr 2010 in Betrieb genommen.

Die Entscheidung der Clearingstelle EEG

Die Clearingstelle EEG hat nun den Streit dahingehend entschieden, dass die beiden PV-Anlagen des Anlagenbetreibers und die PV-Anlage des Dritten nicht als eine Anlage mit einer installierten Gesamtleistung von über 100 kWp zusammenzufassen sind. Daher gelten in diesem Fall auch die besonderen technischen Voraussetzungen für Anlagen über diesem Leistungsschwellenwert nicht.

Dies gelte sowohl nach dem vom BGH entwickelten Begriff des „Solarkraftwerks“ (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2015 – VIII RZ 244/14, abrufbar hier) für den Zeitraum vom 5. November 2015 bis zum 31. Dezember 2015 wie auch nach dem „Modul-Anlagenbegriff“ des EEG 2017 in dem Zeitraum von der Inbetriebnahme bis zum 4. November 2015 sowie ab dem 1. Januar 2016.

Anlagenzusammenfassung nach dem BGH-Anlagenbegriff („Solarkraftwerk“)

Nach Anwendung des BGH-Urteils kommt die Clearingstelle EEG zu dem Ergebnis, dass es sich bei den beiden PV-Anlagen des Anlagenbetreibers zwar um ein einziges „Solarkraftwerk“ handelt. Dieses sei aber nicht mit der PV-Anlage des Dritten zusammenzufassen.

Unter dem Begriff des „Solarkraftwerks“ ist nach dem BGH die Gesamtheit aller funktional zusammengehörenden technisch und baulich notwendigen Einrichtungen zu verstehen. Danach ist entscheidend, nach welchem Gesamtkonzept die einzelnen Einrichtungen jeweils zusammenwirken sollen (wir berichteten). Nach diesen Kriterien sei in der Gesamtbetrachtung von zwei Solarkraftwerken auszugehen: eines wird von dem Anlagenbetreiber in dem Votumsverfahren betrieben und eines von dem benachbarten Dritten. 

Eine Zusammenfassung dieser beiden Anlagen verneinte die Clearingstelle EEG jedoch, da sie sich nicht (vollständig) auf demselben Grundstück befinden. So müsse die jeweilige Anlage für eine Zusammenfassung nach § 6 Absatz 3 Nummer 1 EEG 2012 in ihrer Gesamtheit auf demselben Grundstück wie die weitere betrachtete Anlage errichtet sein. Andernfalls sei die Zusammenfassung lediglich nach der Auffangregelung („sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe“) zu prüfen, was die Clearingstelle EEG ebenfalls verneinte. Ausschlaggebend waren aus Sicht der Clearingstelle EEG insofern insbesondere die Errichtung auf verschiedenen alleinstehenden Gebäuden, die teils auf verschiedenen Grundstücken liegen (10 Meter Abstand zwischen den Gebäuden) und die Benutzung durch unterschiedliche Betreiber sowie die Installation auf zwei verschiedenen Dachflächen mit separaten Unterkonstruktionen.

Für Neuanlagen ist dabei zusätzlich zu berücksichtigen, dass bereits seit dem EEG 2014 eine Zusammenfassung allein nach dieser „Auffangregelung“ ohnehin nicht mehr in Betracht kommt. Denn in § 9 Absatz 3 EEG 2014/2017 wird nur noch dasselbe Grundstück oder Gebäude genannt. Eine Zusammenfassung aufgrund der „unmittelbaren räumlichen Nähe“ sieht § 9 Absatz 3 EEG 2014/2017 dagegen nicht mehr vor. Dann käme es nach Auslegung der Clearingstelle EEG also allein darauf an, dass beide zusammenzufassenden Anlagen jeweils vollständig auf demselben Grundstück oder Gebäude errichtet sind. 

Anlagenzusammenfassung nach dem „Modul-Anlagenbegriff“

Im zweiten Teil des Votums beschäftigt sich die Clearingstelle EEG dann mit der Frage, ob unter Anwendung des „Modul-Anlagenbegriffs“ des EEG 2017 eine Zusammenfassung einzelner oder aller PV-Anlagen vorzunehmen ist. Interessant ist dabei, dass die Clearingstelle EEG letztlich zu annähernd denselben Ergebnissen kommt, wie nach dem BGH-Anlagenbegriff: So bestehen die PV-Anlagen des Anlagenbetreibers hiernach aus zahlreichen Einzelanlagen (jedes Modul = eine Anlage). Diese sind nach Ansicht der Clearingstelle EEG aber leistungsseitig zusammenzufassen, weil sie sich in unmittelbar räumlicher Nähe zueinander befinden und auf demselben Gebäude innerhalb von zwölf Kalendermonaten errichtet worden sind. Gleichzeitig sei die zweite PV-Anlage des Anlagenbetreibers mit der Anlage des benachbarten Dritten zusammenzufassen, weil diese Module wiederum auf demselben Grundstück belegen sind.

Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass die Clearingstelle EEG sodann eine Verklammerung zu einer „fiktiven Gesamtanlage“ ablehnt. Dies begründet die Clearingstelle EEG damit, dass nach dem Wortlaut nur diejenigen Anlagen (Module) als eine Anlage gelten, die jeweils für sich genommen die jeweiligen Kriterien für eine Anlagenzusammenfassung erfüllen. Hierbei komme es eben auf die jeweilige Einzelanlage an und nicht auf die bereits zusammengefassten fiktiven Gesamtanlagen. Einer „Kettenzusammenfassung“ von Modulen, die für sich betrachtet eigentlich nicht zusammenzufassen wären, erteilt die Clearingstelle also eine Absage. Eine Zusammenfassung ist dann ausgeschlossen, selbst wenn die Module jeweils Teil einer fiktiven Gesamtanlage sind, die wiederum mit einer anderen fiktiven Gesamtanlage zusammenzufassen wäre.

Fazit 

Dem Votum der Clearingstelle EEG lag sicherlich ein spezieller Fall zu Grunde. Lesenswert ist es jedoch allemal, weil die Clearingstelle EEG sich einmal mehr sehr ausgiebig mit den Folgen des Solarkraftwerk-Urteil des BGH befasst und die Voraussetzungen einer Anlagenzusammenfassung in speziellen räumlichen Situationen näher ausbuchstabiert. Insbesondere die Ausführungen zur Kettenzusammenfassung und zu grundstücksübergreifenden Anlagen können dabei sicherlich auch in anderen Fällen zu mehr Rechtssicherheit beitragen.

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