Lange hatte man in der Erneuerbaren-Branche auf die Innovationsausschreibungen gewartet. Als dann der erste Entwurf für eine entsprechende Verordnung bekannt wurde, machte sich allerdings erst einmal Ernüchterung breit (wir berichteten). Nach vielfacher Branchenkritik am Referentenentwurf wurde dieser nochmals überarbeitet und Anfang diesen Jahres letztendlich verabschiedet. So trat die Verordnung zu den Innovationsausschreibungen (InnAusV) am 30. Januar 2020 letztendlich doch noch in Kraft – wenn auch etwas später als ursprünglich geplant. Nunmehr steht zum 1. September 2020 die erste Ausschreibungsrunde an (siehe bei Interesse hier). Grund genug, einmal einen etwas genaueren Blick auf die Neuregelungen der InnAusV zu werfen…
Was bisher geschah…
Ziel der neu ins EEG 2017 aufgenommenen Innovationsausschreibungen sollte zum einen die Erprobung neuer Preisgestaltungsmechanismen und Ausschreibungsverfahren, zum anderen die Erprobung und spätere Evaluierung von Funktionsweisen und Wirkungen von technologieneutralen bzw. -übergreifenden Ausschreibungen für erneuerbare Energien sein. Entsprechend hoch waren die Erwartungen. Der erstmalig im Sommer 2019 bekannt gewordene Referentenentwurf wurde dieser Zielsetzung nach Auffassung vieler Beobachter allerdings nicht wirklich gerecht – zumindest hinsichtlich des zweiten Punktes.
Die Kritik an dem Entwurf war unüberhörbar: Hingewiesen wurde etwa auf die wegen nicht praxistauglicher Anforderungen fehlende Anreizwirkung für innovative Anlagenkombinationen und Sektorenkopplungsansätze, die mangelnde Attraktivität einer fixen Marktprämie, die Verringerung des Zahlungsanspruchs auf null bei negativen Preisen ohne eine sechs-Stunden-Regel und die künstliche Zuschlagsverknappung bei unterzeichneten Ausschreibungen. Unseres Erachtens durchaus begründete Kritik und mögliche Alternativen wurden im weiteren Rechtssetzungsverfahren von verschiedener Seite formuliert. Es bestand daher die Hoffnung, dass aus dem etwas glücklosen Referentenentwurf doch noch eine Innovationsausschreibungsverordnung werden könnte, die überzeugt und ihrem Titel gerecht wird.
Die überarbeitete InnAusV – das steht drin
Die letztlich in Kraft getretene Verordnung zur Regelung der Innovationsausschreibung hat sich gegenüber dem Referentenentwurf durchaus noch einmal an verschiedenen Stellen verändert, vieles ist jedoch auch beim Alten geblieben:
- Neu bzw. etwas erweitert wurden nun tatsächlich sogenannte Anlagenkombinationen in die Innovationsausschreibungsverordnung aufgenommen, also Zusammenschlüsse von mehreren Anlagen verschiedener erneuerbarer Energien oder von Erneuerbare-Energien-Anlagen mit Stromspeichern. Ein Gebot für Anlagenkombinationen darf dabei insgesamt nur für Anlagen abgegeben werden, die vor dem Gebotstermin noch nicht in Betrieb genommen wurden. Zuvor sollte die Verordnung lediglich für Zusammenschlüsse oder Kombinationen von Anlagen anwendbar sein, sofern sich die geplanten Anlagen auf demselben Grundstück, demselben Gebäude, demselben Betriebsgelände oder sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden. Dieses vielfach wegen mangelnder Praxistauglichkeit kritisierte Nähe-Erfordernis wurde nun gestrichen und es wurde die Option einer Kombination mit Stromspeicheranlagen ergänzt. Bei einer Anlagenkombination muss mindestens einer der genutzten Energieträger fluktuierend sein und die Anlagenkombination muss über einen gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt ans Netz angeschlossen sein. In diesem Fall – etwa bei der Kombination einer größeren Solaranlage mit einem Batteriespeicher – kann unter bestimmten Voraussetzungen für diese Gesamtinstallation dann ein Zuschlag in der Innovationsausschreibung erlangt werden. Beim Einsatz von Stromspeichern ist allerdings ausdrücklich geregelt, dass diese ausschließlich aus den anderen Anlagenteilen der Anlagenkombination beladen werden dürfen. Sogenannte Multi-Use-Anwendungen, in denen der Speicher auch intelligent und systemdienlich mit dem Stromnetz interagiert, sind damit – aus unserer Sicht unverständlicherweise – von vornherein ausgeschlossen.
- Für Gebote für Anlagenkombination wurde einheitlich eine Sicherheit in Höhe von 60 Euro und eine verlängerte Realisierungsfrist von 30 Monaten festgelegt (wobei sich hier aufgrund von unsauberen Formulierungen im Verordnungstext im Detail eine ganze Reihe offener Fragen stellen, näher hierzu weiter unten). Außerdem müssen die Anlagenkombinationen technisch so beschaffen sein, dass sie für mindestens 25 Prozent ihrer installierten Gesamtleistung (theoretisch) positive Sekundärregelleistung erbringen können. Andernfalls verringert sich die fixe Marktprämie auf null. Es geht dabei allerdings nur um die theoretische technische Eignung – die Anlagenkombination muss weder für den Sekundärregeleistungsmarkt präqualifiziert oder auch nur präqualifizierbar sein, noch muss eine tatsächliche Teilnahme am Regelleistungsmarkt erfolgen. Insbesondere gilt die Vorgabe der theoretischen Sekundärregelleistungsfähigkeit ohne weiteren spezifischen Nachweis als erfüllt, wenn die Anlagenkombination zu dem geforderten Leistungsanteil von mindestens einem Viertel eine Biomasseanlage, eine Geothermieanlage oder einen Speicher umfasst.
- Beibehalten wurde, dass in der Innovationsausschreibung statt auf eine gleitende auf eine sogenannte fixe Marktprämie geboten wird, die nicht am durchschnittlichen Marktwert „entlangfährt“, sondern dauerhaft gleichbleibt. Gebote dürfen auch hier den festgelegten Höchstwert nicht überschreiten. Für Anlagenkombination liegt dieser bei 7,5 Cent pro Kilowattstunde und bei einfachen Anlagen bei 3 Cent pro Kilowattstunde. Im Übrigen muss das Gebot im Wesentlichen den bekannten formalen Anforderungen des EEG gerecht werden. Hinsichtlich der Gebote für Anlagenkombinationen stellt die Verordnung einige zusätzliche Anforderungen, wie etwa eine Eigenerklärung zum gemeinsam genutzten Netzverknüpfungspunkt und eine Vorab-Registrierung als Projekt beim Markstammdatenregister (dies gilt insbesondere auch für Speicher, die als Teil einer Anlagenkombination betrieben werden sollen).
- Ebenfalls beibehalten wurde die Verringerung der fixen Marktprämie auf null für jeden Zeitraum, in dem der day-ahead Preis an der EPEX-Spot für die Preiszone Deutschland negativ ist. Von einer Sechs-Stunden-Regel, wie im § 51 EEG 2017 zu finden, wurde hier also abgesehen.
- Ein weiteres Instrument, das bereits im Referentenentwurf enthalten war (und hier für Kritik gesorgt hatte, weil befürchtet wurde, dass es sich hierbei um einen Testlauf für die „normalen“ Ausschreibungen handeln könnte), ist die künstliche Zuschlagsverknappung bei unterzeichneten Ausschreibungsrunden: Soweit die eingereichte Gebotsmenge der zugelassenen Gebote unter der ausgeschriebenen Menge des Gebotstermins liegt, führt die Bundesnetzagentur in der Innovationsausschreibung ein abweichendes Zuschlagsverfahren durch, im Rahmen dessen dann nur 80 Prozent der eingegangenen und zulässigen Gebote bezuschlagt werden.
- Zum Gebotstermin 2020 wird zusätzlich ein abweichendes Zuschlagsverfahren angewendet, in dem Anlagenkombinationen bevorzugt bezuschlagt werden. Für Gebote für Anlagenkombinationen gibt es dann eine „garantierte“ Zuschlagsmenge von insgesamt 200 Megawatt.
- Da die erste Ausschreibung ursprünglich bereits 2019 stattfinden sollte und diese Frist bei Inkrafttreten der InnAusV schon verstrichen war, wird die Ausschreibung, die ursprünglich 2019 geplant war, nun mit dem Ausschreibungstermin am 1. September 2020 zusammengelegt und damit nachgeholt. Das Ausschreibungsvolumen beträgt entsprechend statt 400 MW nun 650 MW. Stattfinden wird die Ausschreibung am 1. September 2021.
- Es soll bis zum 31. Dezember 2021 eine Evaluierung durch die Bundesregierung geben. Hier versteckt sich sogar noch eine kleine zusätzliche Meldepflicht für die teilnehmenden Anlagenbetreiber: Anlagenbetreiber müssen im Rahmen der Evaluierung bis zum 31. August 2021 der Bundesnetzagentur die Information übermitteln, ob sie am Regelenergiemarkt teilgenommen haben, welche Erlöse sie dort erzielt haben und auf welche Anlagen ihre tatsächliche Stromerzeugung entfallen ist. Diese Frist sollten sich Anlagenbetreiber, die an der Innovationsausschreibungsverordnung teilnehmen, also bereits jetzt in den Kalender schreiben.
Na dann kanns’s ja losgehen – oder?!
Wenn man auf die überarbeitete und nunmehr in Kraft getretene InnAusV blickt, wird schnell klar, dass die Kritik und Verbesserungsvorschläge nur teilweise berücksichtigt wurden bzw. durch die erfolgten Änderungen eine ganze Reihe neuer Fragen aufgeworfen wurden. Dies macht insbesondere Betreibern zu schaffen, die planen mit einer Anlagenkombination an der ersten Ausschreibungsrunde teilzunehmen.
So ergibt sich aus den Regelungen insgesamt kein klares Bild, wie der Verordnungsgeber Anlagenkombinationen betrachtet wissen will: Handelt es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Anlagen, für die im Regelfall die „normalen“ technologiespezifischen Ausschreibungsregeln gelten sollten? Hierfür sprechen zahlreiche direkte Verweise auf die technologiespezifischen Ausschreibungsregeln. Andererseits würden sich hieraus – da die technologiespezifischen Ausschreibungsregeln ja bekanntlich sehr unterschiedlich sind – zahlreiche Fragen beim Zusammenwirken der Regelungen ergeben, etwa hinsichtlich der in den Ausschreibungsregeln des EEG 2017 ja gar nicht enthaltenen Speicher sowie hinsichtlich des Verhältnisses zu den ausdrücklichen Spezialregelungen in der InnAusV (z.B. zur Sicherheit oder zum Realisierungszeitraum). Daher scheint es nahezuliegen, dass der Verordnungsgeber Anlagenkombinationen eher als ein gänzlich neues, als Ganzes zu betrachtendes „Ausschreibungsobjekt“ ansieht, für das eben spezielle – einheitliche – Regelungen gelten. Dies würde aber dem offenkundigen Ansinnen des Verordnungsgebers, in der Innovationsausschreibung für Anlagenkombinationen nicht etwa die technologiespezifischen Ausschreibungsregeln „auszuhebeln“, wiederum nicht gerecht werden. So wird an vielen Stellen deutlich, dass eben doch grundsätzlich und irgendwie die allgemeinen EEG-Regelungen fortgelten und durch die InnAusV lediglich punktuell ergänzt werden sollen.
Aus diesem im Verordnungstext angelegten Spannungsfeld – man könnte auch sagen: Kuddelmuddel – resultieren nun eine ganze Reihe für die Praxis hochrelevanter Fragen, die sich mit einem (durchaus auch vertieften) Blick in die Verordnung schlichtweg nicht eindeutig beantworten lassen. Dies betrifft so basale Fragen wie: Wie hoch ist die Sicherheit und wie ist sie zu zahlen, wenn eine Anlagenkombination teilnimmt, in der eine Solaranlage enthalten ist? In welchen Fällen greift bei einer Anlagenkombination mit einer Solaranlage ein Förderabschlag nach § 54 EEG 2017? Kann man eine Anlagenkombination überhaupt „verschieben“? Und wann muss ggf. eine etwaige Förderberechtigung beantragt werden, sofern sie denn erforderlich ist? Kann ich parallel an der Innovationsausschreibung und an der normalen technologiespezifischen Ausschreibung teilnehmen? So merkwürdig es klingen mag: all diese Fragen beantwortet der Verordnungs- und Gesetzestext schlicht nicht klar. Dies ist für Akteure, die Interesse an der Innovationsausschreibung haben, natürlich höchst misslich und führt sicher auch bei der BNetzA als der die Ausschreibung durchführenden Stelle zu einigen Anfragen und entsprechendem Kopfzerbrechen.
Auch bezüglich der neu hinzugekommenen Speicher stellen sich zahlreiche Fragen, die bei Speichern schon länger unklar sind, hier nun aber richtig relevant werden könnten. Dies betrifft so simple Fragen wie: Was genau ist bei einem Speicher eigentlich „die Anlage“ im Sinne des § 3 Nummer 1 EEG 2017, wo fängt diese an, wo hört sie auf? Wie genau bemisst sich bei einem Speicher die installierte Leistung oder das Inbetriebnahmedatum? Wie ist mit natürlichen Degradationen umzugehen, die bei einem Speicher ja durchaus erheblich sein können? Solche Fragen mögen erst einmal akademisch scheinen, im Rahmen der Innovationsausschreibungsverordnung können sie im Einzelfall aber durchaus erhebliches Gewicht erlangen. Zwar gibt es hierzu seit Längerem rechtliche Diskussionen und auch bereits verschiedene Auslegungshilfen (z.B. seitens der Clearingstelle EEG|KWKG oder der BNetzA), ein wirklich kohärenter Rechtsrahmen für Speicher fehlt aber nach wie vor, weswegen eine saubere Anwendung der EEG-Regelungen auf diese eben teilweise durchaus eine gewisse Herausforderung darstellt. Auch die Signale aus der Rechtsprechung zu Speichern haben hier zuletzt eher für neue Widersprüche gesorgt, als für mehr Kohärenz (wir berichteten). Insofern ist die Erstreckung der Innovationsausschreibungen auf Speichertechnologien zwar grundsätzlich erfreulich und begrüßenswert, offenbart aber eben gleichzeitig einmal mehr den momentan schlichtweg unausgegorenen Rechtsrahmen, in dem sie sich behaupten müssen. Die Beschränkung auf reine Grünstromspeichermodelle ohne die Möglichkeit einer Interaktion mit dem Netz schränkt das Anwendungspotenzial von Speichern in solchen Projekten weiter erheblich ein. Damit nimmt man sich die Möglichkeit, im Rahmen der Innovationsausschreibungen das Potenzial von Speichern als „Schweizer Taschenmesser der Energiewende“ voll auszuspielen bzw. weiter zu erproben.
Erster Ausschreibungstermin steht bevor – wir sind gespannt!
Wir hoffen natürlich, dass sich viele Marktakteure mit spannenden Projekten nicht von den vorstehenden Unkenrufen und den verschiedenen Unwägbarkeiten abschrecken lassen und die Innovationsausschreibungen am Ende ein Erfolg werden. Gerade bei den Anlagenkombinationen ist der gesetzliche Höchstwert natürlich durchaus interessant, wenn man sich die Durchschnittswerte aus den technologiespezifischen Ausschreibungen vor Augen führt. Natürlich hätten wir – und wohl auch viele Marktteilnehmer – uns gewünscht, dass die Rahmenbedingungen für die Innovationsausschreibungen etwas klarer geregelt sowie vielleicht auch etwas mutiger ausgefallen wären. Dies gilt insbesondere für die lange Wartezeit, bei der sich nun zeigen wird, ob sie sich wirklich gelohnt hat. Wie gesagt: Wir hoffen es sehr und drücken allen innovativen Projekten und experimentierfreudigen Teilnehmern die Daumen! Und sollten Sie kurz vor Toresschluss noch Fragen zur Innovationsausschreibung haben: Melden Sie sich gerne.