Der BGH entscheidet zu Bürgerenergiegesellschaften nach dem EEG: Was alles (nicht) geht

30.06.2020 Der BGH entscheidet zu Bürgerenergiegesellschaften nach dem EEG: Was alles (nicht) geht

Bei Bürgerenergiegesellschaften nach dem EEG müssen die beteiligten Bürger die Entwicklung und Realisierung ihres „Bürgerenergieprojektes“ selbst bestimmen können. Soweit aufgrund der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags ein erfahrener Projektentwickler die Geschäfte einer solchen Bürgerenergiegesellschaft nach freiem Ermessen führe, erfülle diese Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Bürgerenergiegesellschaft nach § 3 Nr. 15 EEG 2017 nicht, wie kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) entschied.

Was ist eine Bürgergesellschaft und warum?

Die mit dem EEG 2017 geregelten weitgehenden Privilegien für Bürgerenergiegesellschaften (Teilnahme an Ausschreibung auch schon vor Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, Uniform-Pricing usw.) sowie deren Auswirkungen in den ersten Ausschreibungsrunden in den Jahren 2017 und 2018 dürften den meisten Marktteilnehmern hinlänglich bekannt sein. Mit den Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften wollte der Gesetzgeber zur Akteursvielfalt beitragen und die notwendige Akzeptanz für den Ausbau der Windenergie „vor Ort“ sicherstellen. Da sich allerdings schnell zeigte, dass diese Ziele mit den getroffenen Regelungen nur unzulänglich erreicht wurden, setzte der Gesetzgeber bereits mit Wirkung zum 1. Februar 2018 die meisten der ursprünglich für Bürgerenergiegesellschaften vorgesehenen Privilegien der, insbesondere die Möglichkeit der Teilnahme an Ausschreibungen ohne BImSchG-Genehmigung, zunächst zeitlich bis zum 1. Juni 2020 aus. Im Rahmen der letzten EEG-Novelle vom Mai 2020 wurde dies dann sogar dauerhaft so geregelt.

Hintergrund des BGH-Beschlusses zu Bürgerenergiegesellschaften

Ein unterlegener Bieter aus der Ausschreibungsrunde vom 1. August 2017, in der fast ausschließlich Bürgerenergiegesellschaften bezuschlagt worden waren, hatte Beschwerde gegen seine Nichtbezuschlagung eingelegt. Sein Hauptargument war letztlich, eine Bezuschlagung sei nur deshalb nicht erfolgt, weil die Bundesnetzagentur (BNetzA) rechtsfehlerhaft mehrere Gebote anderer „Scheinbürgerenergiegesellschaften“, die  zumindest organisatorisch einem Großunternehmen zuzuordnen waren, bezuschlagt hatte. Rein formal gesehen, so der Vorwurf des unterlegenen Bieters, erfüllten die „Scheinbürgerenergiegesellschaften“ zwar die Anforderungen des EEG 2017, faktisch aber würden die gesetzlichen Regelungen von den „Scheinbürgerenergiegesellschaften“ umgangen. Dies hätte die BNetzA prüfen und erkennen und die „Scheinbürgerenergiegesellschaften“ von der Teilnahme ausschließen müssen. Dann wäre sein Gebot auch erfolgreich gewesen.

Erstinstanzlich entschied das OLG Düsseldorf mit einer eng an den Wortlaut von § 3 Nr. 15 EEG 2017 gebundenen Auslegung, dass die Zuschlagsentscheidungen der BNetzA rechtmäßig waren und wies die Beschwerde zurück (Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. September 2018 (Az.: 3 Kart 80/17 (V) – unseren Bericht zum Beschluss des OLG Düsseldorf finden Sie hier: https://www.vbvh.de/news-detail/olg-duesseldorf-konkretisiert-erstmals-vorgaben-des-eeg-fuer-buergerenergiegesellschaften/).

Bürgerbeteiligung und Stimmrechtsverteilung in der Gesellschaft dürfen kein „Feigenblatt“ sein

Diesen Beschluss des OLG Düsseldorf hob der BGH nun auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Düsseldorf zurück (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020, Az. EnVR 101/18). Interessant sind dabei die Gründe, mit denen der BGH der Rechtsbeschwerde stattgab, da sich aus diesen – zumindest erste – allgemeine Rückschlüsse auf den Rechtsrahmen für Bürgerenergiegesellschaften ableiten lassen:

So reicht es laut dem BGH nicht bereits aus, wenn mindestens 51 Prozent der Stimmrechte der Bürgerenergiegesellschaft bei natürlichen Personen aus dem Standortlandkreis liegen (§ 3 Nr. 15 Buchst. b) EEG 2017) und damit die formalen Anforderungen des EEG an eine Bürgerenergiegesellschaft „auf dem Papier“ erfüllt sind. Vielmehr seien die Anforderungen des EEG an Bürgerenergiegesellschaften nur dann erfüllt, wenn mit der Mehrheit der Stimmrechte für kreisansässige Gesellschafter auch eine entsprechende tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gesellschaft und der Mitwirkung an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung verbunden sei.

Im entschiedenen Fall seien die Anforderungen an eine Bürgerenergiegesellschaft vor diesem Hintergrund nicht erfüllt, da der Gesellschaftsvertrag keine Mehrheitsentscheidungen vorgesehen hatte, sondern sämtliche Entscheidungen an die von der dispositiven gesetzlichen Regelung vorgesehene Einstimmigkeit knüpfe. Ebenso wenig genüge es den gesetzlichen Anforderungen, wenn der Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft (KG) grundlegende Geschäfte der Entscheidung der Gesellschafter entziehe und sie ausschließlich einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Komplementärin (etwa einer GmbH oder einer UG) zuweise. Maßgeblich war an dieser Stelle, dass allen bezuschlagten „Scheinbürgerenergiegesellschaften“ als Gründungskommanditist mit Stimmrecht eine natürliche Person angehörte, die wiederum Mitarbeiter desselben Großunternehmens war. Dies hatte in Verbindung mit dem im Gesellschaftsvertrag geregelten Einstimmigkeitserfordernis zur Folge, dass keine Beschlüsse, die sich auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft auswirken konnten, gegen den Willen des Großunternehmens bzw. dessen Mitarbeiter gefasst werden konnten. Zudem lagen die Entscheidungen über die Aufnahme weiterer Kommanditisten und stiller Gesellschafter sowie die Aufbringung des benötigten Eigenkapitals allesamt allein bei der durch das Großunternehmen kontrollierte Komplementärin und waren damit dem Einfluss der kreisansässigen Gesellschafter vollständig entzogen.

Eine solche „Entmündigung“ der kreisansässigen Gesellschafter sei, so der BGH, mit Sinn und Zweck der den Bürgerenergiegesellschaften – denen gerade mit Blick auf ihre lokale oder regionale Verankerung gesetzliche Privilegien verliehen worden waren – unvereinbar.

Deswegen gab der BGH dem unterlegenen Bieter zunächst Recht, verwies allerdings die Sache zurück an das OLG Düsseldorf, da dieses nicht hinreichend geprüft habe, ob derselbe Gesellschaftsvertrag in dieser Form bei allen „Scheinbürgerenergiegesellschaften“ des Großunternehmens Verwendung fand sowie ob der unterlegene Bieter selbst die Voraussetzungen für eine Bürgerenergiegesellschaft nach § 3 Nr. 15 EEG erfülle. Diese Prüfungen wird das OLG Düsseldorf nachzuholen haben, um dann über die Beschwerde zu entscheiden.

Ist das alles kalter Kaffee?

Die mit dem Beschluss des BGH geschaffene Klarheit über die EEG-Anforderungen an Bürgerenergiegesellschaften ist zwar rechtlich wohl sinnvoll und erwünscht, scheint allerdings auf den ersten Blick, keine maßgeblichen Rechtsfolgen mit sich zu bringen: Mit Ausnahme der wenigen Bieter, die sich rechtzeitig rechtlich gegen ihre Nichtbezuschlagung in den ersten Ausschreibungsrunden aus 2017 wandten, können die weiteren nicht bezuschlagten Bieter aus den vergangenen Jahren wegen Verfristung entsprechender Ansprüche nicht mehr über den Rechtsweg um einen Zuschlag kämpfen.

Ohnehin dürfte es auch wenig Anlass geben, dies zu tun, da gerade in den betreffenden Jahren in den Ausschreibungen die niedrigsten Zuschlagspreise realisiert wurden und eine spätere erneute Teilnahme sich somit ohnehin als der wirtschaftlich bessere Weg erwies.

Die Rechtsprechung des BGH ist aber in doppelter Hinsicht wichtig: Zunächst bleibt abzuwarten, ob die BNetzA nach Abschluss des Verfahrens vor dem OLG Düsseldorf die (anscheinend fehlerhaft erteilten) Zuschläge an „Scheinbürgerenergiegesellschaften“ widerrufen wird, was indes auch nicht ohne Weiteres rechtlich möglich scheint. Kommt es zu einem Widerruf dieser Zuschläge, wären die bei Gebotsabgabe geleisteten Sicherheiten, die sich wohl auf einige Millionen Euro bemessen, fällig.

Noch wichtiger für die Windenergiebranche ist aber der Beschluss des BGH deshalb, weil nunmehr feststeht, worauf alle als Bürgerenergiegesellschaften bezuschlagte Bieter achten müssen. Zurzeit entscheiden sich zwar ganz wenig Bieter für eine Teilnahme als Bürgerenergiegesellschaft an einer Ausschreibung. Dies dient nicht nur der Vermeidung des erhöhten bürokratischen Aufwands und der damit verbundenen Inflexibilität bei der vertraglichen Gestaltung ihrer Gesellschaften, sondern scheint auch aufgrund der in letzter Zeit öfter vorkommenden Unterzeichnung des Ausschreibungsvolumens nicht erforderlich zu sein. Es ist aber keinesfalls auszuschließen, dass zukünftig das Vehikel der Bürgerenergiegesellschaften wieder an Bedeutung und Attraktivität gewinnen wird. Es muss sich aber dann, so auch der BGH, um echte Bürgerenergie handeln.

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