Das Baulandmobilisierungsgesetz – Bedeutung auch für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien

16.11.2020 Das Baulandmobilisierungsgesetz – Bedeutung auch für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien

Einführung – Worum geht es?

Am 4. November 2020 hat das Bundeskabinett den Entwurf des Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) beschlossen. Im Kern adressiert der Gesetzesentwurf vor allen Dingen Verbesserungen für den Wohnungsbau, er enthält insoweit verschiedene Vorschläge für planungsrechtliche Grundlagen, um die Mobilisierung von Flächen hinsichtlich der Verwendung für den Wohnungsbau zu erleichtern. Mit diesem Gesetzesentwurf gehen aber auch einige Änderungen einher, die sich im Sektor der erneuerbaren Energien und damit verbunden Themenbereichen niederschlagen. Dies betrifft natürlich einerseits die sinnvolle energetische Quartiersentwicklung, aber auch Bauleitplanverfahren für Photovoltaikfreiflächenanlagen (FFPVA) oder Windenergieanlagen (WEA).

Was sieht das Baulandmobilisierungsgesetz vor?

Die Weiterentwicklung der boden- und baulandpolitischen Rahmenbedingungen für eine vermehrte, erleichterte und beschleunigte Bereitstellung und Mobilisierung von Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau ist Koalitionsversprechen im Bereich der Wohnungs-und Stadtentwicklungspolitik und damit obligatorisch. Die Verfügbarkeitssicherung von Bauland zu gemeinverträglichen Preisen ist eine wichtige Grundlage, um Wohnungsmarktengpässe, insbesondere in sich entwickelnden Regionen, durch Erweiterung des Marktes für bezahlbaren Wohnraum einzuschränken. Abseits dieser grundsätzlichen Adressierung des Gesetzentwurfs, sind auch für die weitere Entwicklung von Projekten und Quartiersprojekten relevante Regelungen enthalten, von denen wir folgend einige ausgewählte Aspekte in aller Kürze skizzieren:

  • Der Gesetzentwurf sieht in § 1 Absatz 6 Nummer 9 BauGB in Erweiterung des dortigen Programmsatzes der relevanten abwägungserheblichen Belange auch neu die Belange der Bevölkerung „im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität“ vor. Der Programmsatz des § 1 Absatz 6 Nummer 9 BauGB soll damit insgesamt lauten:

    „die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung“.

    Damit wird der Kraftfahrzeugbetriebes als planungserheblicher Belang insgesamt adressiert. Hier soll natürlich der Schwerpunkt auf der Bedeutung der Elektromobilität liegen. Es besteht allerdings ein gewisses Risiko, dass so ein zu großes Augenmerk auf den Individualverkehr in relevanter Weise legitimiert wird (trotz der vorhandenen Einschränkung im zweiten Regelungsteil), was gerade vor dem Hintergrund der erforderlichen Energievermeidung möglicherweise nicht ausschließlich politisch sinnvoll ist. Insofern ist schon fraglich, weshalb hier nicht generell die Nutzung klimaschonender Antriebstechnologien und die entsprechende Verfügbarkeit für die Bevölkerung adressiert werden (bspw. Stichwort Sharing-Modelle in grünen Quartieren).
     
  • Es ist eine Änderung In § 1 a Absatz 3 BauGB vorgesehen, in den ein neuer Satz 6 eingeführt werden soll, der mit dem ebenfalls neu einzuführenden § 135 d BauGB korrespondiert, die den planungsrechtlichen Eingriffsausgleich um die Möglichkeit einer Ersatzgeldzahlung erweitert. So war es bisher nicht möglich, in Bebauungsplänen für den Eingriffsausgleich auch Ersatzgeldzahlungen vorzusehen. Umstritten ist es auch, ob Ersatzgeldzahlungen in begleitenden städtebaulichen Verträgen zulässigerweise vereinbart werden dürfen. Der Gesetzgeber sieht nunmehr in den genannten Vorschriften vor, dass eine Ersatzgeldzahlungen auch im Zusammenhang mit der Aufstellung von Bebauungsplänen möglich ist. Eine entsprechende Folgeänderung wird daher in § 9 Absatz 1a BauGB vorgesehen, wonach die Ersatzgeldzahlung durch bauplanungsrechtliche Festsetzung dem jeweiligen Eingriffsgrundstück zuzuordnen ist.

    Die mit Blick auf die Zulassung Ersatzgeldzahlung als planungsrechtlichen Eingriffsausgleich relevanteste Folgeänderung findet sich in § 135 d BauGB, der neu eingefügt werden soll. In diesem wird nach dem Entwurf geklärt, dass die Ersatzgeldzahlungen gemäß § 1 a Absatz 3 Satz 6 BauGB einerseits von der Gemeinde, vom Vorhabenträger oder dem Eigentümer des Eingriffsgrundstücks erhoben werden und andererseits, dass der entsprechende Ersatzgeldbetrag als öffentliche Last auf dem jeweiligen Eingriffsgrundstück ruht. Die weiteren Regelungen der Vorschrift regeln die Höhe des Ersatzgeldes und dessen Verwendung.
     
  • Bei der Einführung der Ersatzgeldzahlung als zulässigem Eingriffsausgleich darf nicht vergessen werden, dass diese zusätzliche Ausgleichsmöglichkeit nicht etwa dazu führt, dass die Ersatzgeldzahlung grundsätzlich angeordnet werden könnte (wobei dieses Risiko ersichtlich droht), sondern auch im Planungsrecht die Vorgabe der Regelungskaskade der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in §§ 14 ff. BNatSchG gilt, sodass Ersatzgeldzahlungen immer „ultima ratio“ sind und nur dann in Frage kommen, wenn eine Eingriffsvermeidung oder ein Eingriffsausgleich (in Natur) nicht in Frage kommen. Auch in der Praxis dürfte es sich hier häufig um Landschaftsbildbeeinträchtigung handeln, die nicht ausgleichsfähig sind. Zweifelhaft dürfte sein, dass diese Regelung ohne vertiefte Befassung mit Planungsalternativen, wozu ausdrücklich auch der Planungsverzicht gehört, angewendet werden kann, wenn keine geeigneten Ausgleichsflächen zur Verfügung stehen. Insoweit eröffnet die neue Regelung auch neue Risiken mit Blick auf potentielle Abwägungsfehler bei der planungsrechtlichen Umsetzung der Ausgleichsregelung, da die Anordnung von Ersatzgeldzahlungen möglicherweise zu leichtfertig angeordnet werden wird.
     
  • Im Zusammenhang mit der Entwicklung von FFPVA, aber auch WEA, dürfte die Möglichkeit der Ersatzgeldzahlungen eine relevante Rolle spielen. Bei FFPVA ist der potentielle Anwendungsbereich der Ersatzgeldzahlungen wahrscheinlich noch größer, da hier – anders als bei der Planung von WEA – aus planungsrechtlichen Gründen regelmäßig die Aufstellung von Bebauungspläne für deren Errichtung erforderlich sind. Es bleibt allerdings in diesen Planaufstellungsverfahren zu prüfen, ob tatsächlich Ersatzgeldzahlungen abwägungsfehlerfrei anzuordnen sind und ein vorrangiger Eingriffsausgleich nicht möglich ist. Dies ist beispielsweise relevante in Brandenburg, wo aufgrund landesrechtlicher Erlasslage im Zusammenhang mit der Planaufstellung für FFPVA regelmäßig eine sogenannte „Verschattungspauschale“ im Sinne einer Ersatzgeldzahlung fällig wird (was bisher rechtlich aus unserer Sicht mindestens zweifelhaft ist). Hintergrund ist, dass PV Module einen bestimmten Bereich des Bodens dauerhaft verschatten und aufgrund der damit verbundenen Nachteile für die Bodenentwicklung diese Bereiche in den Eingriffsausgleich eingestellt werden. Hierbei findet allerdings keine vorhabenspezifische Betrachtung und die Prüfung der Möglichkeit des Eingriffsausgleich im Naturraum statt, sondern es wird pauschaliert eine Ersatzgeldzahlung verlangt. Diese Praxis wird grundsätzlich durch die neue Einführung des § 135 d und § 1 a Absatz 3 Satz 6 BauGB wohl legitimiert, allerdings ist hinsichtlich der bisherigen Praxis schon zu bemängeln, dass grundsätzlich vorrangig zu prüfen ist, ob ein Eingriffsausgleich möglich ist, was sich auch durch die Einführung der entsprechenden ausdrücklichen gesetzlichen Möglichkeit der Forderung eines Ersatzgeldes nicht ändert.
     
  • In § 9 Absatz 1 Nummer 11 BauGB sieht der Gesetzentwurf als mögliche zukünftige Flächenfestsetzung auch solche für die Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge ausdrücklich vor. Diese Festsetzungsermächtigung dient selbstverständlich dem Zweck, dass – insbesondere in Wohnquartieren –Flächen für die Ladeinfrastruktur planungsrechtlich zwingend vorgesehen werden können, um die Nutzung der E-Mobilität zu steigern. Diese Ergänzung ist zu begrüßen.
     
  • Eine Regelung mit Sprengstoff findet sich in dem vorgesehenen § 250 BauGB, der hier nicht unerwähnt bleiben soll. In – nach einem neuen § 201a BauGB – zu definierenden Gebieten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ soll die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum (§1 des Wohnungseigentumsgesetzes) an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, nur mit Genehmigung der von der Landesregierung bestimmten Stelle erfolgen dürfen. Damit soll nach der Gesetzesbegründung von der Landesregierung bestimmten Stellen (in der Regel: den Gemeinden) ermöglicht werden, Einfluss auf die in ihrem Gebiet ablaufenden Umwandlungsvorgänge zu nehmen. Umwandlungen werden dazu unter Genehmigungsvorbehalt gestellt. Die vorgesehene Regelung zielt darauf ab, ein ausreichendes Angebot an bezahlbaren Mietwohnungen zu erhalten. Die Vorschrift gilt daher nur bei bestehenden Wohngebäuden. Die Aufteilung eines Neubaus in Wohnungs-und Teileigentum wird nicht erfasst. Diese Regelung hat nicht zu unterschätzende Bedeutung für das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) und ist daher sehr umstritten.
     
  • Grundsätzlich interessant sind die geplanten Folgeänderungen aus dem Entwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes im Zusammenhang mit der Bildung von Wohnungseigentum und sonstigen Wohnbauflächen auch im Zusammenhang mit Sanierungsgebieten. Dies gilt auch für die geplanten Änderungen der BauNVO, in der beispielsweise der Begriff des „dörflichen Wohngebietes“ eingeführt wird.

Wie geht es weiter?

Der Gesetzentwurf ist nun vom Bundestag und dem Bundesrat zu beraten. Es bleibt abzuwarten, wie sich hier die weitere Diskussion entwickelt. Haben Sie Fragen zum Gesetzentwurf- melden Sie sich gern!

Ansprechpartner

Dr. Jörn Bringewat
Rechtsanwalt | Partner

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