BNetzA entscheidet gegen Netzbetreiber-Elektrolyseure

17.03.2021 BNetzA entscheidet gegen Netzbetreiber-Elektrolyseure

Bundesnetzagentur lehnt Finanzierung von Großelektrolyseuren über Netzentgelte ab

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat in aktuellen Entscheidungen ihre kritische Haltung gegenüber Errichtung und Betrieb von Elektrolyseuren durch Netzbetreiber bestätigt (Az. BK4-19-052 – Open Grid Europe, Az. BK4-19-030 – TenneT TSO, Az. BK4-19-055 – Gasunie, Az. BK4-19-049 – Thyssengas). Konkret ging es um die Projekte Hybridge (Kooperation Amprion und Open Grid Europe) sowie ELEMENT EINS (Kooperation Gasunie, TenneT und Thyssengas). Die Entscheidungen sind richtungsweisend für einen freien, innovationsfreundlichen Wasserstoffmarkt. Die Begründung der Beschlüsse der BNetzA lässt dabei keine Zweifel daran, dass der aktuelle Rechtsrahmen keine Grundlage für einen Betrieb von Elektrolyseuren durch Netzbetreiber bietet. Die BNetzA hat in ihren Beschlüssen an zentraler Stelle auch Bedenken aufgegriffen, die die von vBVH unterstützte aus Unternehmen der Erneuerbaren-Energien-Branche bestehende „Allianz für fairen Wettbewerb im Wasserstoffmarkt“ gegen die Projekte geäußert hatte.

Worum ging es?

In mehreren kürzlich veröffentlichten Entscheidungen hat die BNetzA Anträge auf Genehmigungen von Investitionsmaßnahmen gemäß § 23 Absatz 1 Anreizregulierungsverordnung (ARegV) für Großelektrolyseure abgelehnt. Gegenstand der Entscheidungen waren Maßnahmen in den Projekten hybridge und ELEMENT EINS.

Im Projekt hybridge (Amprion und Open Grid Europe) soll ein Elektrolyseur mit einer elektrischen Leistung von 100 MW mit Anschluss an das Übertragungs- und Fernleitungsnetz in Lingen gebaut werden – auf diesen ersten Teilschritt bezog sich die Entscheidung der BNetzA. Weitere Teilprojekte sind die teilweise Umstrukturierung des Erdgasnetzes zur Schaffung eines Wasserstoffnetzes sowie die Errichtung von Anlagen zur Zumischung von Wasserstoff ins Fernleitungsnetz für Erdgas und in nachgelagerte regionale Erdgasverteilnetze. Zuletzt soll auch eine Methanisierungsanlage errichtet und angeschlossen werden, durch die Wasserstoff in synthetisches Methan umgewandelt werden und anschließend in das Fernleitungsnetz und nachgelagerte Verteilnetze für Erdgas eingebunden werden kann. Das Projekt wurde von Amprion zuvor bereits in den Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 2030 eingestellt, eine Aufnahme wurde jedoch von der BNetzA abgelehnt. Vorrangige Begründung war, dass es sich bei der Anlage nicht um einen Beitrag zur Steigerung der Transportkapazität und damit nicht um eine der originären Aufgaben des Netzbetreibers handele.

Das Projekt „ELEMENT EINS“ (TenneT TSO, Thyssengas und Gasunie Deutschland Transport Services) sieht ebenfalls die Errichtung eines Elektrolyseurs in der Region nördliches Niedersachsen mit einer elektrischen Leistung von 100 MW vor, der überwiegend regenerativ erzeugten Strom in Gas umwandeln und dieses ins Gashochdrucknetz einspeisen soll. Im ersten Schritt, für den die Genehmigung der Investitionsmaßnahme nach § 23 ARegV gestellt wurde, soll eine Power-to-Gas-Anlage mit 40 MW elektrischer Leistung als Eingangsleistung errichtet und in die Netze eingebunden werden, die dann sukzessive erweitert wird. Dieser Elektrolyseur soll dann ans Gasleitungssystem angeschlossen werden. Das Projekt ELEMENT EINS wird vom BMWi als ‚Reallabor der Energiewende‘ zugelassen.

Die Planungen der Projektbetreiber wurden von Beginn an kritisch begleitet, insbesondere von der „Allianz für fairen Wettbewerb im Wasserstoffmarkt“, einem Zusammenschluss von Unternehmen der Erneuerbare-Energien-Branche und unabhängigen Erzeugern von Wasserstoff. Die Allianz setzt sich dafür ein, dass in einem freien Wasserstoffmarkt Elektrolyseure aller Größenordnungen wirtschaftlich betrieben werden können. Vor allem kritisierte die Allianz, dass eine positive Bescheidung der Anträge auf Genehmigung der Investitionsmaßnahmen den Netzbetreibern die Wälzung der Errichtungskosten über die Netzentgelte erlauben und damit eine garantierte Rendite verschaffen würde. Dies würde einem freien Wettbewerb entgegenstehen.

Was hat die BNetzA entschieden?

Kosten aus genehmigten Investitionsmaßnahmen nach § 23 ARegV gelten als sogenannte dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile im Sinne von § 11 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 ARegV. Für diese Kosten wird die Erlösobergrenze des Netzbetreibers, die der Netzbetreiber sodann u.a. mit den Netzentgelten decken darf, nach oben angepasst. § 23 ARegV schafft somit Anreize für Netzbetreiber, in erforderliche Netzausbaumaßnahmen zu investieren.

Die BNetzA hat eine Genehmigungsfähigkeit der Investitionsmaßnahmen auf Basis des aktuellen Rechtsrahmens abgelehnt. Weder für den Netzanschluss des Großelektrolyseurs noch für die Anlage selbst lägen die Voraussetzungen des § 23 Absatz 1 Satz 1 ARegV vor.

Der zusätzliche Nutzen, den die Maßnahmen für die Sektorenkopplung oder die Netzbetriebsführung stiften könnten, überschreite nicht die Schwelle zur Notwendigkeit zur Stabilität des Gesamtsystems aus § 23 Absatz 1 Satz 1 ARegV.

Die BNetzA teilt in der Begründung ihrer Beschlüsse ausdrücklich die Bedenken der „Allianz für fairen Wettbewerb im Wasserstoffmarkt“ bezüglich eines Wettbewerbsvorteils für Netzbetreiber. Die BNetzA führt dazu aus: „Für die Transformation des Energieversorgungssystems setzt [der Gesetzgeber] unter anderem auf einen Wettbewerb zwischen effizienten und flexiblen Erzeugungsanlagen, Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie und Lasten sowie auf eine effiziente Kopplung des Wärme- und des Verkehrssektors mit dem Elektrizitätssektor […]. Zu dieser Vorgabe stünde in einem gewissen Widerspruch, durch eine Investitionsmaßnahmengenehmigung einen Wettbewerbsvorteil für Übertragungs- bzw. Fernleitungsnetzbetreiber, die dann die Investition vollständig über die Netzentgelte refinanziert bekämen, zu schaffen.“ (Beschluss vom 27. Januar 2021, Az. BK4-19-030, S. 7 f.).

Auch sei der Neubau nicht notwendig zur Einbindung in das nationale oder internationale Verbundnetz und für einen bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG. Die BNetzA weist darauf hin, dass bei Errichtung und Vorhaltung eines Elektrolyseurs unter Beteiligung von Netzbetreibern die Gefahr bestünde, dass projektbeteiligte Übertragungsnetzbetreiber ihrer ursprünglichen Aufgabe, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Netz zu betreiben gar nicht mehr nachkämen – weil der Erfolg des Betriebs des Elektrolyseurs gerade von Engpässen im Netz abhänge.

Gegen die Genehmigung spreche darüber hinaus die Existenz des § 25a ARegV, der Forschung und Entwicklung durch Netzbetreiber im Rahmen der ARegV adressiert und eine Kostenverteilung festschreibt. Diese Vorschrift würde durch die Genehmigung einer Investitionsmaßnahme über § 23 ARegV unterlaufen.

Bewertung der Entscheidung der BNetzA

Die Auffassung der BNetzA, dass der Netzanschluss für einen Großelektrolyseur keine Investitionsmaßnahme nach § 23 Absatz 1 Satz 1 ARegV darstellt und Netzbetreiber die Kosten für die Errichtung solcher Anlagen damit nicht über die Netzentgelte finanzieren können, ist durchweg zu begrüßen. Ein fairer Wettbewerb im Wasserstoffmarkt kann nur gesichert werden, wenn alle Akteure ihre Investitionskosten selbst tragen und die Netzbetreiber diese nicht auf die Netzentgelte umlegen können.

Die Entscheidung der BNetzA steht dabei auch im Einklang mit Artikel 54 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie („Übertragungsnetzbetreiber dürfen nicht Eigentümer von Energiespeicheranlagen sein oder diese Anlagen errichten, verwalten oder betreiben.“).

Zu beachten ist bei alledem jedoch, dass es sich bei dem Beschluss der BNetzA nur um eine „Momentaufnahme“ zum aktuellen Rechtsrahmen handelt. Bei dessen weiteren Entwicklungen – z.B. im Rahmen des aktuellen Änderungsgesetzes zum EnWG – ist stets darauf zu achten, dass keine Hintertüren für die Errichtung und den Betrieb von Elektrolyseuren durch Strom- oder Gasnetzbetreiber geöffnet werden. Auch hier ist vielmehr eine Weichenstellung hin zu einem fairen Wettbewerb, der Innovation belohnt und Kosten nicht dem Letztverbraucher aufbürdet, für ein dezentrales, zukunftsfähiges Energiesystem von immenser Bedeutung. Erfreulich ist insoweit, dass der aktuell vorliegende Entwurf des Änderungsgesetzes zum EnWG in einer Neuregelung in § 11a EnWG ausdrücklich nur für Stromspeicher eine Ausnahme vom grundlegenden Verbot des Betriebs von Energiespeicheranlagen durch Stromnetzbetreiber vorsieht. Dabei darf es auch gerne bleiben.

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Rechtsanwalt | Partner

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Pavlos Konstantinidis, LL.M.
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