Nach einem aktuellen Beschluss der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur (Az: BK8-20/10465-M1) in einem Besonderen Missbrauchsverfahren kann der Betreiber eines Batteriespeichers vom Netzbetreiber die Zahlung des Entgeltes für dezentrale Einspeisung gemäß § 18 StromNEV (auch vermiedene Netzentgelte (vNNE) genannt) verlangen. Der Beschluss steht im Einklang mit der bisherigen energierechtlichen Einordnung von Speichern durch die Bundesnetzagentur und den Bundesgerichtshof, aber gleichzeitig im Widerspruch zum Urteil des Landgericht Frankfurt (Oder) aus dem Jahr 2018 (Az. 31 O 51/17). Ferner stellt sich die Frage, ob Batteriespeicher nach den Begriffsbestimmungen der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie von 2019 noch als Erzeugungsanlagen eingeordnet werden dürfen. Der Beschluss ist für die Batteriespeicherbranche über den Einzelfall hinaus von Bedeutung. Besondere Relevanz ergibt sich zudem aus der speziellen prozessualen Situation: So muss das OLG Brandenburg nun entscheiden, ob es den Beschluss seinem Urteil in der Berufungsinstanz (Az: 6 U 98/18) zu Grunde legt – soweit es dort nun nicht zu einer anderweitigen Verfahrensbeendigung kommt.
Ausgangslage des Verfahrens vor der Bundesnetzagentur
In einer Linie mit der nach wie vor vorherrschenden Rechtsmeinung hatte das Landgericht Frankfurt (Oder) im Jahr 2018 in einem in der Branche viel beachteten Urteil (Az. 31 O 51/17) einen Batteriespeicher als Letztverbraucher eingeordnet – wir berichteten. Dies führte im Ergebnis – im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – für den Betreiber des Speichers zur Pflicht zur Zahlung einiger Entgelte und Abgaben, für die seinerzeit noch keine Ausnahmen vorgesehen waren. Gleichzeitig kam das Landgericht in dem Urteil allerdings zu dem – irritierenden – Ergebnis, dass der Betreiber gleichwohl keinen Anspruch auf die vermiedenen Netzentgelte habe. Das Gericht stützte sich dabei hauptsächlich auf die These, dass ein Speicher begrifflich nicht auch eine Erzeugungsanlage sein könne. Eine solche Doppelfunktion sei nicht möglich.
Daraufhin legte der Betreiber des Batteriespeichers Berufung beim OLG Brandenburg ein, stellte jedoch parallel auch einen Antrag vor der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur in einem sogenannten besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 Absatz 1 EnWG.
Das OLG Brandenburg setzte den Rechtsstreit darauf hin nach § 148 Absatz 1 ZPO aus.
BNetzA: Batteriespeicher sind (auch) Erzeugungsanlagen
Der Speicherbetreiber verteidigte seine Rechtsposition u.a. mit dem Vergleich zu anderen Erzeugungsanlagen, vorliegend Pumpspeicherkraftwerken, bei denen der BGH 2009 eine doppelte Funktion bzgl. Bezug und Erzeugung von Elektrizität ausdrücklich anerkannt hatte (EnVR 56/08, Rz. 9).
Auf das BGH Urteil bezieht sich nun auch die BNetzA in ihrem Beschluss und ordnet Batteriespeicher als Letztverbraucher im Sinne von § 14 StromNEV und als Erzeugungsanlagen gemäß § 3 Nr. 18c EnWG ein. Betrachtet man den Erzeugungsvorgang eines Batteriespeichers, sei dieser ohne weiteres auch mit anderen Erzeugungsanlagen (z.B. Wasserkraftwerken) vergleichbar, welche gespeicherte Energie in elektrische Energie umwandeln. Der Verbrauch und die Erzeugung sind nach der Entscheidung der Beschlusskammer zwei zeitlich getrennte Vorgänge, die auch jeweils unterschiedlich abgerechnet und beurteilt werden müssten. Die Beschlusskammer 8 stellt deswegen ein missbräuchliches Verhalten des Netzbetreibers durch die Verweigerung der Auszahlung der vermiedenen Netzentgelte nach § 18 Absatz 1 Satz 1 StromNEV fest und verpflichtet den Netzbetreiber zur Zahlung.
Wie geht es jetzt in dem Verfahren weiter?
Also muss der Netzbetreiber zahlen. Laut BNetzA zumindest. Aber was ist mit dem Berufungsverfahren beim OLG? Die prozessuale Konstellation ist insoweit durchaus über diesen Einzelfall hinaus interessant: So stellt sich die Frage, ob dem Betreiber des Batteriespeichers aufgrund des laufenden Rechtsstreits eine Entscheidung der BNetzA zu verweigern gewesen wäre. Auf diesen Standpunkt stellte sich zumindest der Netzbetreiber. Wenn nach § 17 Absatz 1 Satz 2 GVG dieselbe Sache bereits in einem ersten Verfahren geltend gemacht wurde, sind widerstreitende Entscheidungen und somit ein weiteres gerichtliches Verfahren zum gleichen Streitgegenstand zu vermeiden. Dann fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Nach Auffassung der BNetzA ist § 17 GVG hier jedoch gar nicht anwendbar. Das besondere Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG sei kein gerichtliches Verfahren und falle somit nicht in den Anwendungsbereich des § 17 GVG. Es diene der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Verhaltens und führe noch nicht zu einer vollziehbaren Entscheidung. Diese bleibe weiterhin Sache der Zivilgerichtsbarkeit, sodass hier keine Rechtswegkollision bestehen könne. Dieser Auffassung folgte offenbar auch das OLG Brandenburg mit seiner Aussetzung des Berufungsverfahrens. Denn es ging dabei von einer Vorgreiflichkeit des Missbrauchsverfahrens aus.
Der Fortgang des Verfahrens vor dem OLG Brandenburg bleibt dennoch mit Spannung zu erwarten. Denn das OLG ist nicht an den Beschluss der BNetzA gebunden.
Bewertung des Beschlusses: Batteriespeicher weiter in den falschen Schubladen
Der unmittelbare für Speicherbetreiber aus dem Beschluss resultierende wirtschaftliche Vorteil des Anspruchs auf die vermiedenen Netzentgelte ist konsequent. Wenn ein Speicher auf der einen Seite als Verbraucher behandelt wird, muss er spiegelbildlich auf der Ausspeicherungsseite auch als Erzeugungsanlage eingeordnet werden und in den Genuss der vNNE kommen.
Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die BNetzA auch mit diesem Beschluss den vorgetrampelten Pfad weiter wandert und Batteriespeicher nach wie vor in gleichermaßen technisch unpassende wie althergebrachte energierechtliche Schubladen steckt. Dabei gibt es inzwischen durchaus auch handgreifliche rechtliche Argumente gegen die Einordnung von Speichern als Letztverbraucher und Erzeuger. So definiert die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (RL EU 2019/944) in Art. 2 Nr. 59/60 Energiespeicheranlagen nicht als Erzeuger oder als Letztverbraucher, sondern explizit nur als „Anlage, in der Energiespeicherung erfolgt“. Energiespeicherung ist dabei „die Verschiebung der endgültigen Nutzung elektrischer Energie auf einen späteren Zeitpunkt als den ihrer Erzeugung oder die Umwandlung elektrischer Energie in eine speicherbare Energieform, die Speicherung solcher Energie und ihre anschließende Rückumwandlung in elektrische Energie oder Nutzung als ein anderer Energieträger“. Diese Definition erkennt, dass Speicher keine doppelte Marktrolle als Letztverbraucher und Erzeuger spielen, sondern eigenständige Elemente des Energiesystems darstellen. Der in der Definition maßgebliche Aspekt der zeitlichen Verschiebung der Nutzung der Energie bleibt im Beschluss der Bundesnetzagentur – ebenso wie auch in der aktuell im Entwurf des Änderungsgesetzes zum EnWG vorgesehenen Definition (wir berichteten) – gänzlich außer Acht. Die BNetzA hält somit auch weiterhin an einem technisch verkürzten Verständnis von Energiespeichern fest. Es ist Zeit, sich nicht nur energiesystemisch, sondern auch energierechtlich von der aus den Zeiten vor der Energiewende stammenden Top-Down-Struktur (Erzeugung-Netz-Verbrauch) zu verabschieden und die eigenständige Bedeutung von Speichern und Prosumern im dezentralen erneuerbaren Energiesystem der Zukunft – und ja, inzwischen auch: Gegenwart (!) – anzuerkennen. Das Clean Energy Package der EU macht dazu einen guten Aufschlag. Der muss jetzt nur noch im deutschen Recht umgesetzt werden.